Gegen politische Gesinnungen, Anti-Atomkraft, für das Klima, für mehr Diversität und Chancengleichheit: dass Menschen auf der ganzen Welt für ihre Überzeugungen und Ideale auf die Straßen gehen, diese Geschichte ist so alt wie Methusalem selbst. Demonstrationen sind ein elementarer Bestandteil der Demokratie und jeder Mensch hat das Recht darauf, gegen Missstände einzuschreiten.
Was 1968 auf den Straßen und an den Universitäten begann, wird heute unter anderem oft in den Untiefen des Internets fortgesetzt. Es ist nämlich ganz einfach oft bequemer, den Protest von zu Hause aus mitzugestalten, als auf freier Straße kalte Füße zu riskieren.
Ein Exkurs: Dezentralisierung und Eventisierung durch Social-Media
Durch Social-Media wie Facebook und Twitter erfordert es heutzutage weniger Aufwand, Proteste zu organisieren oder an Protesten teilzunehmen. Paradoxerweise fällt es aber gleichzeitig auch schwerer, die Öffentlichkeit zu erreichen. Es gibt nun nicht mehr die eine Tageszeitung, die eine Nachrichtensendung, die man erreichen muss. Das Medienkonsumverhalten hat sich verändert, was mit sich bringt, dass Proteste heute oftmals zum Event werden. Will man also etwas Außerordentliches erzeugen, um es über die Reizschwelle der Medien zu schaffen, dann “eventisiert” man es. Ein ganz gutes Beispiel für so ein Unterfangen ist beispielsweise die Atlantik Überquerung der “Fridays For Future” Repräsentantin Greta Thunberg. Mit einem Schlag erreicht die Schwedin somit Millionen Menschen und ruft damit zum weltweiten Protest auf. Das als bestes Beispiel dafür, dass das Internet den öffentlichen Raum niemals als Protestarena ablösen wird.
Demos damals, Demos heute
Wie Demonstrationen und Proteste in den letzten 60 Jahren ausgesehen haben, werden wir in einer Reihe von 12 geschichtsträchtigen Veranstaltungen näher beleuchten. Heute mit dem ersten von zwei Teilen.
1968: Die 68er-Studentenproteste
Die Mutter linker Studentenproteste. Es sind Jahre des Aufbruchs und der Rebellion: Sie protestieren gegen starre Strukturen, die rigide Sexualmoral und die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus: Tausende Student*innen gehen in den 1960er Jahren auf die Straße – und unter der Chiffre „68“ in die Geschichtsbücher ein.
1977: Der Kampf gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf
In Österreich steht ein Atomkraftwerk. Das einzig Gute daran: auf Grund einer Volksabstimmung wird dieses nicht in Betrieb genommen. In jahrelanger Anstrengung betreiben Aktivist*innen Aufklärungsarbeit, verteilten Flugblätter, sammeln Unterschriften und organisieren Demonstrationen, so lange, bis die Volksvertreter*innen in Parlament und Regierung die Verantwortung für eine Inbetriebnahme des Kraftwerks nicht mehr übernehmen. Die Volksabstimmung endet mit einem „Nein“.
1993: Lichtermeer am Heldenplatz
Die größte Demonstration der Zweiten Republik findet am 23. Jänner 1993 auf dem Wiener Heldenplatz statt. Bis zu 300.000 Menschen demonstrieren mit dem “Lichtermeer” gegen Ausländerfeindlichkeit. Unmittelbarer Anlass dafür ist das Ausländervolksbegehren der FPÖ (“Österreich zuerst”).
1996: Regenbogenparade
1996 findet die erste Regenbogenparade in Wien statt. Warum es eine Regenbogenparade braucht? Deswegen: Als 1996 die erste Parade stattfindet, gibt es tatsächlich noch ein Gesetz, welches „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts“ unter Strafe stellt. Erst im März 1997 wird das Werbeverbot mit einer knappen Mehrheit von einer Stimme aufgehoben.
2000: Die Geburtsstunde der Donnerstags-Demos
Der Koalitionsbeschluss von ÖVP und FPÖ zur Jahrtausendwende führt nicht nur zu Sanktionen auf EU-Ebene, auch im Land regt sich erheblicher Widerstand gegen Schwarz-Blau. Zu einer Großkundgebung am 19. Februar 2000 kommen 150.000 Teilnehmer. 12.000 Menschen ziehen dann bei der ersten sogenannten Donnerstags-Demonstration gegen Schwarz-Blau am 24. Februar 2000 durch die Wiener Innenstadt. Der Geist von 2000 wird in die Gegenwart transportiert und es wird bis 2019 erneut jeden Donnerstag demonstriert. Bis zur Auflösung der Türkis-Blauen Regierung.
2003: Demo gegen Pensionsreform
Am 13. Mai 2003 wehren sich bei einer vom ÖGB organisierten Demo über 100.000 Österreicher*innen gegen die Pensionsreform der Regierung. Sie ziehen vom West- und Südbahnhof zum Heldenplatz, wo die große Abschlusskundgebung stattfindet.