Soziales Engagement

Betreuerinnencafé Leonstein: Begegnungen auf Augenhöhe

Wir sind eine alternde Gesellschaft: die Geburtenzahlen stagnieren, die Lebenserwartung steigt. Der zusätzliche Bedarf an Pflege- und Betreuungspersonal beträgt laut einer Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich bis zum Jahr 2030 mehr als 75.000 Personen. Weil viele pflegebedürftige Menschen zu Hause betreut werden möchten, steigt auch die Nachfrage nach 24-Stunden-Betreuerinnen. Ein kleines ehrenamtliches Team, bestehend aus Ingrid Sitter, Marilies Eckhart und Christine Aigner, begab sich vor mehr als vier Jahren auf die Suche nach Personenbetreuerinnen in ihrer Pfarre Leonstein in Oberösterreich: „Wir wollten wissen, wo denn die Betreuerinnen sind, wie geht es den Frauen und wie können sie unterstützt werden.“ Aus diesem Engagement entstand das Betreuerinnencafé Leonstein.

Gemütliches Beisammensein noch aus Zeiten vor Corona.

Unter teils schwierigen Bedingungen arbeiten die Frauen aus meist östlichen Ländern bei Familien und pflegen Angehörige. Im Betreuerinnencafé können sie sich mit anderen Frauen in ihrer Muttersprache austauschen, sich entspannen, lachen und sich kennenlernen. Das Café ist aber mehr als ein Kaffeetratsch. Durch die gelungene Vernetzung werden viele Informationen ausgetauscht, es geht um fachliches Pflegewissen, Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die Frauen werden dabei unterstützt, für ihre Rechte einzustehen und stärken ihren Selbstwert. Denn zumeist erfahren die Frauen von öffentlichen Stellen keine Unterstützung.

In Oberösterreich sind hauptsächlich rumänische und slowakische Personenbetreuerinnen aktiv, vereinzelt auch bulgarische. Sie werden von einer der mehr als 800 Vermittlungsagenturen in Österreich zu Familien vermittelt, sind aber selbstständig tätig und zahlen Wirtschaftskammerbeiträge. Sprachliche Hindernisse und schwierige Vertragsverhältnisse führen oft zu Problemen, die Vermittlungsagenturen werden nicht überprüft. „Viele Agenturen verdienen sich eine goldene Nase. Sie vermitteln die Frauen zu Familien, verlangen Vermittlungsgebühren und monatliche Bearbeitungsgebühren, aber wie es den Frauen während der Zeit ihres Arbeitseinsatzes hier geht, interessiert die Agenturen kaum“, erzählt Ingrid Sitter, die selbst als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin aktiv ist. Das Betreuerinnencafé schafft einen Raum, der den Betreuerinnen die Möglichkeit gibt, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, Informationen einzuholen und weiterzugeben und sich menschlich näher zu kommen.

Sich kennenlernen und austauschen – und ein Gruppenfoto schießen vor der Pfarrkirche Leonstein.

Angelehnt an das Betreuerinnencafé Leonstein gibt es Cafés dieser Art bereits in acht weiteren Gemeinden in Oberösterreich. Aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation werden aber keine realen Treffen durchgeführt. Die Frauen tauschen sich via Facebook oder WhatsApp aus, auch telefonische Einzelbetreuung bieten Ingrid Sitter und ihr Team an. Und sie sind überzeugt: Die 24-Stunden-Betreuerinnen brauchen eine starke Stimme. „Vor vier Jahren hat sich für dieses Thema niemand interessiert. Jetzt steigt langsam das Bewusstsein dafür, wie wichtig 24-Stunden-Pflegerinnen für die gesamte Pflegelandschaft in Österreich sind. Es müssten nur endlich die passenden Strukturen, auch von öffentlicher Seite, geschaffen werden“, erklärt Ingrid. „Die Länder wissen, wo die Altenheime stehen, sie wissen, wohin die mobilen Pflegedienste fahren, aber sie wissen nicht, wo die 24-Stunden-Pflegerinnen im Einsatz sind.“

Wenn sich die Situation entspannt, wird man wieder reale Treffen in kleinerem Rahmen und mit allen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen durchführen. In Zeiten des Lockdown stellten die Ehrenamtlichen kleine Präsente vor die Haustüren der Pflegerinnen, mit Dankeskarten und einem Lebkuchenherz. Die mitgeschickte Botschaft: „Wir vergessen euch nicht!“

Ein Dank an die 24-Stunden-Betreuerinnen während des Lockdown.

Unterstützung für 24-Stunden-Betreuerinnen

Das Betreuerinnencafé Leonstein entstand im April 2016, das Konzept hat sich auf mehrere Gemeinden ausgeweitet. Mittlerweile hat die Volkshilfe Oberösterreich nach dem Vorbild des Betreuerinnencafés Leonstein eine Anlaufstelle für 24-Stunden-Betreuerinnen eingerichtet, die zu sozialrechtlichen Fragen, Weiterbildungskursen und Leistungen anderer Einrichtungen Auskunft gibt.

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