71 Millionen. So viele Menschen werden heuer laut Prognosen der Vereinten Nationen weltweit aufgrund der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie in extreme Armut zurückfallen. Erstmals seit 1998 steigt damit die Zahl jener, die in Armut leben. Die Pandemie führt dazu, dass weltweit Rückschritte gemacht werden, wenn es um die Bekämpfung von Armut, Hunger oder sozialer Ungleichheiten geht. Gleichzeitig zeigt Covid-19 wie wichtig globales Denken und weltweite Solidarität ist. Zu dieser Solidarität zählt unter anderem die Aufstockung humanitärer Hilfsgelder. Auch Österreich muss seinen Teil dazu beitragen.
Erstmals seit 1998 steigt extreme Armut
2015 hat sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung gesetzt, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Eines davon: 2030 soll weltweit niemand mehr von extremer Armut betroffen sein. 2010 lag der Anteil der Menschen, die in extremer Armut lebten noch bei 15,7 Prozent, dieser sank bis 2019 auf 8,2 Prozent. Prognosen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass 2020 der Anteil bei 8,8 Prozent liegen wird. Schon vor der Corona-Krise verlangsamte sich der Rückgang extremer Armut, nun kommt es erstmals seit 1998 sogar zu einem Anstieg.
Auch wenn die Steigerung auf den ersten Blick nur minimal wirkt, muss dies als ein Alarmsignal gelesen werden. So schätzen die Vereinten Nationen, dass heuer 71 Millionen Menschen allein durch die Auswirkungen der globalen Corona-Pandemie zusätzlich in extreme Armut zurückfallen werden. Betroffen sind vor allem Südasien sowie das subsaharische Afrika mit einem Zuwachs von 32 Millionen und 26 Millionen Menschen in extremer Armut.
Ungleichheiten verstärken sich durch Covid-19
Der Kampf gegen Armut ist aber nur eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Auch in anderen Bereichen wird die Erreichung des gesetzten Ziels durch die Pandemie erschwert: So sind die Auswirkungen von Covid-19 eine zusätzliche Bedrohung für die Ernährungssicherheit. In etwa 70 Ländern mussten Immunisierungskampagnen für Kinder aufgrund der Gesundheitskrise unterbrochen werden. Ungleichheiten im Bildungsbereich werden durch die Corona-Krise verschärft. Zudem sind vor allem besonders vulnerable Gruppen wie ältere Personen, Frauen, Migrant*innen sowie Menschen mit Behinderung von der Pandemie und den Auswirkungen betroffen – auch dadurch werden Ungleichheiten verstärkt. Die ärmsten Länder werden wiederum am härtesten von all diesen Rückschritten getroffen.
Die Corona-Krise wirkt so als eine Art Brandbeschleuniger bestehender Missstände. Expert*innen empfehlen daher die Gelder für humanitäre Hilfe aufzustocken. „Die COVID-19 Pandemie wird Menschen in Entwicklungsländern mit voller Wucht treffen. Wenn die Länder den dramatischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen nichts entgegensetzen können, wird die Pandemie in diesen Ländern ein verheerendes Ausmaß annehmen“, so Annelies Vilim. Vilim ist Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe „Globale Verantwortung“.
Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit weit vom eigentlichen Ziel entfernt
Doch Österreichs Entwicklungsausgaben sind schon länger auf einem zu niedrigen Niveau, wie Expert*innen immer wieder kritisieren. Bereits 1970 verpflichtete sich Österreich dazu, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Seitdem kamen weitere internationale Verpflichtungen dazu. Unter anderem wurde dieses Ziel von den EU-Mitgliedsstaaten 2005 erneut bestätigt – bis 2015 hätte das 0,7-Prozent-Ziel demnach eigentlich erreicht werden sollen. Davon sind die meisten Staaten aber auch heute noch weit entfernt. Unter anderem auch Österreich, das laut einem OECD-Bericht im Jahr 2019 nur 0,27 Prozent des Bruttonettoeinkommens für die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufwendet. Das 0,7-Prozent-Ziel liegt damit noch in weiter Ferne.
Allerdings findet sich im aktuellen türkis-grünen Regierungsprogramm das Bekenntnis dazu, die Gelder schrittweise bis zu den 0,7 Prozent zu erhöhen. Tatsächlich brachte der Budgetbeschluss im Mai 2020 auch erste Schritte Richtung Umsetzung hervor: Der Auslandskatastrophenfonds wurde um 10 Millionen Euro und die bilateralen Projektmittel um 12 Millionen erhöht. Laut der Arbeitsgemeinschaft „Globale Verantwortung“ reicht dies jedoch noch nicht aus, denn die Quote von 0,7 Prozent würde bei einer gleichbleibenden jährlichen Steigerung erst im Jahr 2092 erreicht werden.
Die österreichische Bundesregierung muss daher mit zusätzlichen Mitteln ihren Beitrag leisten. Konkret sei ein COVID-19 Rettungspaket notwendig, das eine Soforthilfe von 100 Millionen Euro bereitstellt und zusätzlich einen langfristigen Ausbau der Entwicklungshilfeleistungen gewährleistet, plädiert Vilim an die österreichische Bundesregierung. Nur so könne eine humanitäre Katastrophe verhindert werden.
Weiterführende Links
Der UN-Bericht „The Sustainable Development Goals Report 2020“ kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://unstats.un.org/sdgs/report/2020/The-Sustainable-Development-Goals-Report-2020.pdf
Die AG „Globale Verantwortung“ ordnet die Österreich-Ergebnisse des OECD-Berichtes auch in folgendem Artikel ein: https://www.globaleverantwortung.at/oda-zahlen-2019-oesterreichs-entwicklungsausgaben-stagnieren-auf-niedrigem-niveau