Demokratie & Bürgerrechte

Die Notwendigkeit einer breiten Demokratie-Debatte

Mit dem Satz: „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“ hat uns der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz auf den Plan gerufen. Das war ein direkter Angriff auf die Legitimation des Nationalrats. Die darauffolgende Kampagne der Österreichischen Volkspartei zielte darauf ab, den „Einen“ als alleinigen Repräsentanten des Volkswillens zu präsentieren, der nach der Wahl selbstverständlich weiterregieren wird, denn: „Unser Weg hat erst begonnen.“ Das ist genau jener Hebel, an dem auch die Initiative für komplementäre Demokratie ansetzt, nur drücken wir in die andere Richtung.

Zur Überwindung der großen Krisen unserer Zeit muss in Zukunft jede und jeder dazu berechtigt werden, in die demokratische Direktverantwortung zu treten, um als Teil der Gesellschaft in der Gesetzgebung gleichberechtigt mitzubestimmen.

Wir begreifen den allgemeinen Trend zum Populistischen als Aufforderung, uns erneut kräftig für eine Diskussion über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Weiterentwicklung der Demokratie zu engagieren. Zur Überwindung der großen Krisen unserer Zeit muss in Zukunft jede und jeder dazu berechtigt werden, in die demokratische Direktverantwortung zu treten, um als Teil der Gesellschaft in der Gesetzgebung gleichberechtigt mitzubestimmen. 

Gegenwärtig üben wir in der repräsentativen Demokratie unsere Souveränität durch Wahlen aus. Wir wählen unsere Repräsentant*innen und bestimmen so die Zusammensetzung des Parlaments. Wir sprechen durch die Wahlentscheidung den Abgeordneten das Vertrauen aus, ihr freies Mandat mit bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Meinen konkreten Willen aber können sie in jeweiligen Einzelfragen nicht repräsentieren. Daher reichen Wahlen allein nicht zur vollen Legitimation der demokratischen Gesetzgebung aus. Es muss auch die Möglichkeit bestehen, aus der Mitte der Rechtsgemeinschaft – durch Bürger*innen – Gesetzesinitiativen zu ergreifen. Nur wenn der Volkssouverän je und je in einem klaren demokratischen Prozess seinen Willen im gesellschaftlichen Dialog bilden und in Abstimmungen zum Ausdruck kommen lassen kann, können wir von Demokratie sprechen und das Gespenst eines heraufbeschworenen „Volkswillen“ verschwindet.

Um diese Möglichkeit zu schaffen, schlägt die Initiative für komplementäre Demokratie vor, die repräsentative Gesetzgebung um einen adäquaten Prozess der direkten Gesetzgebung zu formulieren: „Volksinitiativen“ wenden sich, wenn sie eine gewisse Unterstützung erreichen, an den Nationalrat. In unserem Entwurf sind 30.000 frei gesammelte Unterschriften für diese Stufe vorgesehen. Die Gesetzesvorlage der Initiative wird im Parlament ausführlich diskutiert. Kommt kein Beschluss zustande, muss die Möglichkeit bestehen, ein „Volksbegehren“ einzuleiten. Jetzt ist – wiederum durch das Erreichen oder Nicht-Erreichen einer Hürde – die Frage zu beantworten, ob zum Gegenstand eine „Volksabstimmung“ stattfinden soll. Ist das Volksbegehren durch die Beteiligung von 300.000 Bürgerinnen und Bürgern erfolgreich, kommt es nach einer Phase gleichberechtigter Diskussion über das Pro und Kontra zur Volksabstimmung. Hier entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 

Zur guten Ausgestaltung der direkten Gesetzgebung müssen neue demokratische Organe, wie etwa ein wirksamer Medienrat, entwickelt werden. Der Medienrat ist der Arbeitstitel für eine neue Institution, welche mehr oder minder ähnliche Aufgaben wie der bestehende Presserat hat, jedoch auf alle privaten und öffentlichen Medien und Plattformen ausgeweitet wird. Er soll wirksam sicherstellen, dass die Diskussion im Vorfeld einer Abstimmung nicht von einer Gruppe dominiert wird, sondern die Berichterstattung ausgewogen ist. Dann steht unsere Demokratie auf zwei komplementären Säulen.

Die Diskussion ist uns dabei zunächst wichtiger als die Forderung nach der Umsetzung unseres Vorschlages. Jede Gesellschaft braucht regelmäßig einen breiten öffentlichen Dialog über die Art und Weise, wie sie zu ihren Gesetzen – der Grundlage unserer Rechtsgemeinschaft – kommt. Ein prominenter Angriff auf die Legitimation des Nationalrats als Repräsentant des Volkes und Gesetzgeber kommt uns dazu sehr gelegen.

Mehr Informationen zur Initiative und wie man sich einbringen kann finden Sie unter www.volksgesetzgebung.at.

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