Gleichberechtigung & Frauenrechte

Die „Strafen“ des Mutterseins

Als berufstätige Mutter kenne ich natürlich die schlaflosen Nächte, die wenig überraschend immer vor wichtigen Meetings vorkommen. Die Tage, an denen einfach alles zu viel ist, weil man gefühlt nie wirklich Zeit zum Ausspannen hat und die Momente, in denen man sich (wieder) wünscht kinderlos oder Single zu sein – oder vielleicht beides, weil allein die Vorstellung dieser unfassbaren Ruhe eine offen gesagt neidisch zurück lässt.

Ich halte mich außerdem für einen politischen, eigenständig denkenden Menschen. Aber ehrlicherweise habe ich mir nie ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob und dass mich die Geburt eines Kindes quasi in materielle Armut stürzen könnte. Und dass die Entscheidung, ein Baby zu bekommen bereits meine gesamte zukünftige Karriere torpediert haben könnte, noch bevor diese richtig in Schwung gekommen ist. In der aktuellen Forschung wird dieser Effekt bzw. diese Einbußen mit „Child Penalties“ bezeichnet – wörtlich könnte man das mit „Kinderstrafen“ übersetzen.

2019 hat ein internationales Forscher*innenteam rund um Henrik Kleven von der Princeton University die Einbußen im Einkommen von Müttern und Vätern in sechs Ländern untersucht – mit ernüchternden Ergebnissen. Denn die Studie „Child Penalties Across Countries: Evidence and Explanations“ legt nahe, dass der Hauptgrund des bestehenden „Gender Pay Gaps“ zwischen Frauen und Männern die Einkommenseinbußen von Frauen nach der Geburt ihres ersten Kindes sind. Denn diese Einbußen bleiben bestehen, wodurch das gesamte Lebenseinkommen von Müttern negativ beeinflusst wird. Oder provokant ausgedrückt: Mutterschaft führt zu materieller Abhängigkeit und Altersarmut von Frauen!

Auf Männer und deren Einkommen hat die Geburt des ersten Kindes hingegen nur in Schweden geringe Auswirkungen, was gemäß den Studienautor*innen am schwedischen Karenzmodell liegt, das Väter wesentlich mehr in die Pflicht nimmt. Besonders drastisch sind die Ergebnisse aber für die wertekonservativen deutschsprachigen Länder Deutschland und Österreich. Denn direkt nach der Geburt verlieren Mütter im Durchschnitt bis zu 80 Prozent ihres Einkommens – was auf massiven Nachholbedarf beim Kinderbetreuungsgeld hindeutet. Nach einigen Jahren erreichen die Einbußen dann ein Plateau und pendeln sich bei 61 Prozent in Deutschland und 51 Prozent in Österreich ein.

10 Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes verdienen Frauen in Österreich im Schnitt also nicht einmal die Hälfte von dem, was sie vor ihrer Entscheidung, das Pensions- und Sozialsystem durch Reproduktion aufrecht zu erhalten, an Einkommen erzielten! 

Was sind aber nun die Gründe für diese exorbitanten Einkommensunterschiede?

Natürlich einerseits der Umstand, dass in Österreich fast 70 Prozent der Mütter nur noch Teilzeit arbeiten, um ihren Betreuungspflichten nachkommen zu können. Auch in Deutschland ist die Teilzeitquote bei Müttern ähnlich hoch (66,2 Prozent in 2018). Allerdings könnte man argumentieren, dass die Kinder doch aus dem Gröbsten draußen sind, wenn sie mal in die Schule gehen und dass das Angebot an Ganztagsbetreuung in den letzten Jahren ausgebaut wurde, um auch Müttern existenzsichernde Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

Leider kommt die Studie aber zu dem Schluss, dass politische Maßnahmen und öffentliche Kinderbetreuung nur einen geringen Teil der „Child Penalties“ real erklären und auch abfedern können. Denn der Löwenanteil der langfristigen Einkommensverluste liegt an den nicht erfolgten Beförderungen, an nicht gemachten Karrieresprüngen, an nicht gewährten oder genutzten Chancen – denn die Treiber der langfristigen „Kinderstrafen“ sind unbestrittene Gendernormen und nicht gelebte Gleichstellungskultur.

Eine Studie des Phänomens in Dänemark aus 2018 zeigt auf, dass die Einbußen in Gehalt und Karriere und die Aufteilung der unbezahlten Arbeit in einem Haushalt von Generation zu Generation weitergegeben werden – und zwar ausnahmslos an die Töchter:

„That is, girls growing up in families with a more traditional division of labor between the parents incur larger child penalties when they themselves become mothers.“

Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass „Child Penalties“ in jenen Ländern am größten sind, in denen es die höchste Zustimmung zur Auffassung gibt, dass Frauen mit (nicht-schulpflichtigen) Kindern nicht arbeiten gehen sollten. Wo also die Ansicht vorherrscht, dass Mütter sich gefälligst um ihre Kinder und nicht um ihre Karriere kümmern sollten, sind somit auch Mechanismen am Arbeitsmarkt und im Alltag am Werk, die verhindern, dass Mütter nach der Geburt wieder Karriere machen können.

Einigen von uns wird jetzt vielleicht das letzte Bewerbungsgespräch für eine Führungsfunktion einfallen, wo wir trotz Verbots allen Ernstes gefragt wurden, wie sich der Job denn mit unserer Lebensplanung vereinbaren lässt. Oder auch das letzte Gespräch mit einer guten Freundin, die meint, dass man sich eben entscheiden muss, ob man Kind oder Karriere will. Die trotzige Antwort war, wieso „ich mir diese Frage stellen muss und nicht ER?“.

Aber so ist Österreich 2021 – wir haben uns als Gesellschaft tatsächlich noch nicht wirklich von den Rollenbildern der 50er Jahre emanzipiert.

Was wir als feministische Mütter aber tun können: Nicht aufgeben, unseren Töchtern und Söhnen weiter (halbwegs) gleichberechtigte Beziehungen vorleben, uns vernetzen, weiter an unseren Karrieren feilen und in uns selbst und unsere Ausbildung investieren. Außerdem sollten wir weiter laut für die partnerschaftliche Aufteilung von Karenzzeiten eintreten und möglichst schnell an der Umsetzung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für alle arbeiten. Um in der Gesellschaft ein Umdenken zu erreichen, braucht es aber mehr. Wir brauchen einen Kulturwandel und wir brauchen Vorbilder: Die 40-jährige Annalena Baerbock kandidiert in Deutschland als Kanzlerin. Sie hat bereits als sie den Parteivorsitz übernommen hat ganz klar gesagt, dass sie zwei kleine Kinder hat und es Tage geben wird, die nur ihnen gehören werden. Seit drei Jahren zeigt sie uns, dass es gehen kann und dass sie Themen wie Arbeitszeiten, unbezahlte Arbeit und Diskriminierung von Müttern in der Arbeitswelt in den großen gesellschaftlichen Zusammenhang stellen kann, in den sie gehören. 

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