Armut & Sozialstaat

Warum es sich nicht jedeR leisten kann, AktivistIn zu sein.

Aktivismus ist ein großes Wort. In Österreich ist es vor allem eins, von dem sich jedeR tunlichst fernhalten sollte, der/die etwas „erreichen“ und nirgends anecken möchte. Vorauseilender Gehorsam ist schließlich noch immer eines der höchsten Güter in diesem Land. Schließlich ist es nicht mit dem neoliberalen und rechtskonservativen Mainstream vereinbar, in der Öffentlichkeit für die Rechte aller Menschen einzutreten. Denn der herrschende Diskurs sagt ganz klar: manche Menschengruppen sind weniger wert. Und auf deren Rücken muss die Elite blühen und gedeihen. So war es schon immer, und so wird es noch sehr lange sein. Kurzum: wenn du nicht zu dieser Elite gehörst, solltest du doppelt aufpassen, was du machst, sagst und wie du arbeitest.

Politisches Engagement bleibt daher oft jenen überlassen, die entweder nichts mehr zu verlieren haben, und jenen, die nie etwas zu verlieren hatten. Was ich damit sagen möchte? Wer in irgendeiner Form politisch aktiv ist und sich zur Zivilgesellschaft zählt, die etwas verändert, tut dies nicht im luftleeren Raum. Menschen, die in vielerlei Abhängigkeiten stecken, bleibt der Zugang zu aktivistischen Räumen häufig verwehrt – sie können es sich schlicht nicht leisten, unbezahlten, zeitaufwändigen und meist auch psychisch belastenden Aktivismus zu betreiben. Sei das online oder auf der Straße.

Die Abhängigkeit von den Unternehmen, in denen diese Menschen – wahrscheinlich zu prekären Bedingungen – arbeiten, lässt sich ebenso nicht so leicht wegschreiben oder schönreden. Sie ist da und sie ist real. Denn es geht um nicht weniger als das eigene Überleben. Deshalb halte ich auch nichts von den „Wir müssen alle mehr tun“  Sprüchen – denn es ist ein massives Privileg, das tun zu können. Rauszugehen. Die Tür zuzuhauen, und zu sagen: „Jetzt wehre ich mich.“ Und das am besten laut und vor einer Fernsehkamera.

Wenn wir dann noch weiter hinter die Kulissen blicken, kommen wir schnell drauf: gerade jene, die mit ihrem Aktivismus in der Öffentlichkeit stehen, sind oft auch jene, die mit genügend Privilegien ausgestattet wurden. Und sollten sie das nicht sein, hier ein kleiner Aufruf an alle: Schulterklopfer und Pseudo-Solidaritätsbekundungen helfen politisch aktiven Menschen, die in Existenzangst, Bedrohung und unter psychischen Belastungen leben, nicht. Schaut stattdessen lieber, wie ihr sie real, und am besten finanziell, unterstützen könnt. Denn was viele, wie so oft, vergessen, sind die ökonomischen Bedingungen, unter denen Aktivismus entsteht, ausgeübt oder auch aufgegeben wird. Darüber muss geredet werden.

Denn: Solidarität heißt auch Ressourcen herzugeben. Und wenn es „nur“ eine kleine Überweisung ist – sie bewirkt definitiv mehr als ein Like auf Facebook.

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