Soziales Engagement

Ein Wochenende voller Frieden, mitten im Sommerschnee

Bei einer Tour in den Tauern hörte Ernst Löschner von einem Bergführer eine Bemerkung, die sein Leben verändern sollte und ihm eine ganz neue Verpflichtung gab. Das Wetter war grauenhaft und die Tourengruppe musste das Unwetter irgendwie aushalten und überstehen, als der Bergführer in der Absicht, die Stimmung der Gruppe zu heben, die Bemerkung machte, dass sie ja wenigstens eine gute Ausrüstung und ordentliche Schuhe hätten, was man von „den armen Juden damals“ nicht behaupten konnte.

Hellhörig geworden fragte Ernst Löschner nach und erfuhr so eine Episode aus der österreichischen Nachkriegsgeschichte, die nicht nur ihm vollkommen unbekannt geblieben war. Niemand außer ein paar Zeithistorikern und den Menschen aus der Gegend wussten von dieser unglaublichen Geschichte.

1946/47 waren tausende Menschen in Westösterreich in Lagern interniert, ein besonders großes Lager war in Saalfelden, wo circa 5000 Menschen festgehalten wurden. Sie waren Juden, die die Vernichtungslager im Osten, vor allem der Ukraine, überlebt hatten. Sie wollten nach Italien weiterziehen und von dort nach Palästina. Das durften sie nicht. Die Briten übten politischen Druck aus – sie wollten nicht noch mehr jüdische Einwanderer in Palästina haben. Hier In Salzburg waren aber die Amerikaner und die hatten eine etwas weniger harte Ansicht dazu. Sie erlaubten zwar die Weiterreise nicht, aber verfolgten sie auch nicht aktiv. So wurde jeder Grenzübertritt illegal, konnte aber – unter den abgewandten Augen der Besatzungsmacht und der österreichischen Gendarmerie irgendwie stattfinden.

Die einzigen Möglicheit, doch in den Westen/Süden zu kommen, war über die Krimmler Tauern nach Südtirol. Der Weg nach Italien aber abenteuerlich, lang, erschöpfend und gefährlich.

Die jüdische Hilfsorganisation „Bricha“ (deutsch: Flucht) organisierte die Wanderungen, die von Krimml entlang der berühmten Wasserfälle hinauf ins Ahrntal ging, bis zum Krimmler Tauernhaus, wo die Menschen rasten konnten und die Hüttenwirtin (die Großmutter des jetzigen Hüttenwirtes) die Menschen bewirtete und ihnen erlaubte, zu lagern und sich auszuruhen. In 100er Gruppen führten Bergführer und der Aktivist der Bricha, Marko Feingold, die Menschen dann in einer nächtlichen 10 stündigen Wanderung nach Kasern in Südtirol. Von dort organsierte wiederum die Bricha den Weitertransport nach Genua. 

Marko Feingold ist heute 106 Jahre. Er lebt in Salzburg und steht seit Jahrzehnten der jüdischen Gemeinde dort vor. Er war es, der damals den Weg auskundschaftete und zusammen mit den Krimmler Bergführern die Fluchtwanderungen organisierte und sehr viele Gruppen auch selbst begleitet hat. 2 -3 mal wöchentlich machten sich im Sommer 1947 jeweils etwa hundert Menschen auf diesen beschwerlichen Weg – ohne jede Ausrüstung, oft ohne Proviant. 

Seit 2007, also heuer zum 13. Mal, gibt es nun die Friedenswanderung vom Krimmler Tauernhaus nach Kasern, auch heute eine Tour von circa 8 Stunden. Heuer waren etwa 200 TeilnehmerInnen dabei, darunter eine große Delegation aus Israel, Nachkommen und Verwandte von Menschen, die 1947 den Weg gegangen waren oder Menschen, die sich der Idee verbunden fühlen. Viele ältere oder nicht so sportliche Menschen gehen „nur“ die erste Etappe von etwa 2 Stunden  bis zur Windbachalm. Aber heuer waren wir doch etwa 100 Leute,  die über große Schneefelder den steilen Anstieg auf den Pass und dann den ebenso steilen Abstieg nach Kasern bewältigten.

Ernst Löschner |

Die Bürgermeister von Krimml und Kasern (und dem nächstgelegenen Südtiroler Ort Prettau) haben die Wanderer wie jedes Jahr zu einem köstlichen Empfangsbuffet eingeladen und  ihre Verbundenheit mit der Friedenswanderung ausgedrückt. Die Region vermittelt eine Herzlichkeit und Verbundenheit mit der ganzen Aktion und schätzt ganz offensichtlich dieses  Wochenende Ende Juni keineswegs nur aus touristischen Gründen. Hier steht man zur Geschichte – in allen ihren Aspekten. Marko Feingold war noch bei jeder Friedenswanderung dabei, in den letzten Jahren zumindest, um die Wanderer in der Früh zu begrüßen und „Berg heil“ zu wünschen. Heuer war es so heiß, dass er davon Abstand nehmen musste. 

Für Respekt.net und Alpine Peace Crossing war die heurige Wanderung  auch etwas Besonderes: die beiden Vereine haben vor Kurzem eine enge Kooperation vereinbart.

Wir möchten zusammen Projekten auf der Crowdfundingplattform die Spendenabsetzbarkeit ermöglichen. Dazu definieren wir gemeinsam die Projekte, denen wir das anbieten können und haben uns für das erste Jahr einen Topf von etwa 50.000 € vorgenommen.

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