Begonnen hat alles mit einer handvoll Idealisten. Zu Beginn der 70er Jahre formierte sich eine starke Friedensbewegung im kanadischen Vancouver. Der Protestfunkte für Greenpeace kam aber aus den USA: Auf der zu Alaska gehörenden Insel Amchitka sollten Atomtests durchgeführt werden. Den überzeugten Pazifisten schlossen sich Ökologen an, eine neue Bewegung war geboren: Greenpeace. Ihre erste Aktion richtete sich gegen den bevorstehenden Atomtest auf Amchitka im Herbst 1971. Die Gruppe um Irving Stowe und Bob Hunter fand einen Fischkutterkapitän, der bereit war, in Richtung Amchitka aufzubrechen. Die Bootsmiete finanzierten sie sich dank einem eigens organisierten Benefizkonzert.
Medienaufmerksamkeit als Trumpf
Den Aktivisten war klar, dass sie ihren eigenen Kopf hinhalten, Gefängnis oder sogar das eigene Leben riskieren würden. Das Motto von Greenpeace war von Beginn an jedoch, Zeugnis über Ereignisse abzulegen, dort hinzusehen, was verborgen war. Bob Hunter berichtete täglich mittels Radioübertragungen von Bord des Schiffes. Oft hörte man jedoch nur die rauen Wellen im Hintergrund.
An Land baute Greenpeace ihre Medienarbeit rasant aus, die Gruppe bekam nationale und internationale Aufmerksamkeit. Die Regierung der USA reagierte und verschob das Datum des Atomtests nach hinten, Greenpeace musste reagieren. Es kam zu Diskussionen, wie lange das Schiff auf dem Meer bleiben kann, die Gruppenmitglieder stimmten ab. Fünf waren für die Weiterfahrt, sieben für die Rückkehr. Nach 45 Tagen auf See lief das Schiff wieder im Hafen von Vancouver ein. Hinter dem Lächeln nach der Ankunft verbarg sich Bitterkeit und das Gefühl versagt zu haben. Aber die Gruppe hatte ein riesiges Medienereignis erschaffen. Die USA führte im Herbst 1971 den geplanten Atombombentest durch, beendeten danach aber die Tests auf Amchitka.
Immer mehr Menschen schlossen sich Greenpeace an, errichteten lokale Büros, setzten eigene Akzente. Ein von Frankreich geplanter Atomtest im Südpazifik brachte Greenpeace in andere Weltregionen. David McTaggart, ein ehemaliger kanadischer Bauunternehmer und in Neuseeland wohnhaft, nahm sich mit seiner persönlichen Segelyacht der Sache an. Die Sperrzone im Südpazifik beleidigte seinen Freiheitssinn und er segelte mehr als 4.700 Kilometer zum Mururoa-Atoll, hinein in die Sperrzone, nicht wissend, ob bald ein Atomtest durchgeführt wird. Er wurde von der französischen Marine festgenommen und misshandelt. Bilder davon gingen um die Welt, machten McTaggart und Greenpeace berühmt. Ein Jahr später stellte Frankreich die oberirdischen Atomtests ein.
Entscheidungen treffen
Greenpeace schaffte es danach immer wieder, mit Bildern und Videos ihrer teils halsbrecherischen Protestaktionen weltweite Aufmerksamkeit zu erregen. Besonders riskant verliefen Aktionen gegen den Walfang. Die Aktivist*innen manövrierten ihre kleinen Schlauchboote zwischen Wale und Harpunenschiffe, dennoch wurden Harpunen abgefeuert. Das an der Harpune angebundene Kabel knallte neben dem Schlauchboot ins Meer. Videos und Bilder dokumentierten diesen Vorfall und zwangen die Menschen zur Entscheidung: Bist du für den Harpunierer oder für den Wal?
Die wachsende Größe von Greenpeace brachte jedoch mächtige Gegner aufs Spielfeld. In der Nacht auf den 10. Juli 1985 explodierten am Rumpf des im neuseeländischen Auckland anliegenden Schiffes “Rainbow Warrior” zwei Bomben. Das Schiff sank, ein Fotograf von Greenpeace kam dabei ums Leben. Der französische Geheimdienst war für dieses Attentat verantwortlich. Es war der Tag, an dem Greenpeace erwachsen wurde.
Dies war auch in der Erreichung umweltpolitischer Ziele zu erkennen. Das eigentlich bereits beschlossene Rohstoffabkommen der Antarktis bröckelte, indem immer mehr Länder das Abkommen nicht ratifizierten. Mit dem 1991 unterschriebenen Umweltschutzprotokoll wurde der Kontinent zum Naturreservat erklärt und der Rohstoffabbau für 50 Jahre verboten. Dieser Umwelt-Erfolg war jedoch nicht auf Protestaktionen zurückzuführen, sondern auf intensive politische Hintergrundgespräche.
Angepasste Protestformen
Im Laufe der Zeit veränderten sich auch die Protestformen von Greenpeace. Der Ölkonzern Shell wollte Mitte der 90er-Jahre veraltete Bohrinseln mitsamt dem Restöl im Meer versenken. Hier kamen die Schlauchboote wieder ins Spiel, Bohrinseln wurden besetzt. Gleichzeitig startete Greenpeace Deutschland einen Boykott-Aufruf von Shell-Tankstellen. Shell lenkte nach sechs Wochen ein.
Greenpeace verwendete bereits früh das Internet als digitalen Pranger. Ein Spot über das Produkt KitKat von Nestlé verdeutlicht den Erfolg dieser Methode. In dieser “Werbung” beißt ein Mann von einem KitKat ab, es entpuppt sich jedoch als Finger eines Orang-Utans. Der Erfolg war enorm und zwang Nestlé auf Palmöl zu verzichten.
Es wird jedoch immer schwieriger aufzufallen. Die Medienwirksamkeit ist durch eine Vielzahl an Medien fragmentiert worden, der aktuell dominante Klimawandel ist nur schwer mit der Kamera einzufangen und begreifbar zu machen. Die Aktivist*innen suchen immer neue und kreative Wege, um Druck auszuüben und Missstände aufzuzeigen: Klettern auf Kräne, Anbringen von Transparenten auf Gebäuden, Straßenblockaden, Anketten von Aktivist*innen. Auf viele Aktionen zurückblickend, schien es im Vorfeld nahezu unmöglich und verrückt, diese Aktionen umzusetzen. Im Nachhinein war es unvermeidlich.
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