Armut & Sozialstaat

Homeless World Cup: Schwierigkeiten gemeinsam überwinden

Eigentlich hätte Ende Juni der Ankick für den Homeless World Cup 2020 in Finnland sein sollen. Eigentlich hätten wieder Herren- und Damen-Teams aus mehr als 40 Nationen an dem Turnier teilnehmen sollen. Dieses „Eigentlich“ kennen wir mittlerweile zu gut, der HWC musste coronabedingt abgesagt werden. 

Das Straßenfußball-Turnier, unterstützt von UNO und UEFA, begeistert seit 17 Jahren und soll Obdachlose bei der Reintegration in die Gesellschaft unterstützen. Initiiert wurde das Turnier vom INSP, dem International Network of Street Papers; erstmals durchgeführt in Graz, unterstützt von der Straßenzeitung Megaphon. Seither findet das Turnier einmal jährlich an unterschiedlichen Austragungsorten auf der ganzen Welt statt.

Das österreichische Frauen-Team nach dem Sieg gegen England. |
Credits: Caritas

Persönlichkeiten auf dem Fußballplatz

Orhan hat den Großteil seiner Jugend auf den Straßen Wiens verbracht, seine Drogensucht warf ihn fast aus der Bahn. Mit 28 Jahren war er 2008 als Spieler beim World Cup in Australien mit dabei. Das Medieninteresse und die Beteiligung internationaler Partner ist jedes Jahr enorm. Mehr beeindruckt aber die Initiative an sich: Dass Menschen Zeit und Raum gegeben wird, sich dem Fußball widmen zu können und noch dazu auf großer internationaler Bühne. „Wenn jemand auf der Straße oder drogenabhängig ist, also ganz tief am Boden ist. Wie soll der dann sehen, dass er ein Gewinnertyp ist? So einer von ganz unten, alleine kann der sich nicht aufraffen“, erzählt Orhan, der einer von drei Spielern war, die im Zuge des Dokumentarfilms „Kick Off“ am Weg zum Homeless World Cup in Australien begleitet wurden.

Einer der anderen beiden Spieler, Hansi, hat viele Jahre seines Lebens als schwer alkoholabhängiger Obdachloser verbracht. Es war laut seinen Erzählungen eine für ihn einmalige Gelegenheit, in ein Flugzeug zu steigen. Einmalig ist jedoch auch die Teilnahme beim HWC: Spieler und auch Spielerinnen dürfen bei keinem früheren Turnier teilgenommen haben. Teilnehmen dürfen auch nur Asylwerber*innen ohne positiven oder abgelehnten Bescheid, wenn der Lebensunterhalt als Straßenzeitungsverkäufer*in verdient wird oder wenn zumindest eine vorübergehende Obdachlosigkeit im Jahr vor dem Turnier gegeben war.

Die Spielstätte von Orhan und Hansi 2008 in Melbourne, Australien. |
Credits: homelessworldcup.org

Für Hansi und Orhan schaute 2008 zum Abschluss der 15. Platz unter 45 teilnehmenden Nationen raus. Beim Team Österreich des Homeless World Cup könnte sich die österreichische Profi-Nationalmannschaft einiges abschneiden. 2003 gewann die Auswahl das Turnier vor England, 2004 landete man hinter Italien auf Platz 2. Beim bislang letzten Turnier im Jahr 2019 schaffte die österreichische Herrenauswahl den hervorragenden 8. Platz, die Frauenauswahl schoss sich sogar auf Rang 6. 2021 soll es mit dem Homeless World Cup weitergehen. 

Was für die einzelnen teilnehmenden Menschen bleibt, ist die Erinnerung an ein unvergleichliches Erlebnis und die Gewissheit, dass Schwierigkeiten im Leben gemeinsam überwunden werden können. Oder wie Orhan es auch formuliert: „Man muss Hilfe auch suchen, man muss auch wollen.“

Österreich ist Fußballweltmeister, 2003 in Graz. |
Credits: Caritas/Bustamante

Homeless World Cup Nationalteam Österreich

Der österreichische Partner des internationalen Homeless World Cup ist seit Beginn die Caritas Steiermark. Sie koordiniert das österreichische Homeless World Cup Nationalteam, das jedes Jahr neu zusammengestellt wird.

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