Soziales Engagement

Ist Entwicklungszusammenarbeit überhaupt sinnvoll?

Entwicklungszusammenarbeit (früher auch Entwicklungshilfe) soll weltweite, sozioökonomische Unterschiede von Ländern dauerhaft und nachhaltig abbauen. Vertreter*innen der sogenannten Post-Development- und auch der Dependenz- resp. Weltsystemtheorie stellen die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) jedoch in Frage. Sechs Argumente dieser kritischen Entwicklungstheorien:

1) Die Idee der Entwicklungszusammenarbeit basiert auf einer Unterteilung der Welt in entwickelte und unterentwickelte Länder/Regionen. Die entwickelten Länder sind meist die des Globalen Nordens. Die, die von einer modernen und wachstumsorientierten Wirtschaft geprägt sind. Die unterentwickelten Länder sind demnach Länder des Globalen Südens, die eher traditionell geprägt sind und in denen oft eine Subsistenzwirtschaft vorherrscht. Gesellschaften im Globalen Süden und deren Lebensweisen werden als defizitär bezeichnet. Diese Unterteilung hat einerseits eine hierarchische, problematische Wertung inne, andererseits verlieren die unterentwickelten Regionen an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung und sind beinahe gezwungen, sich dieser vorbestimmten Weltordnung zu unterwerfen.

2) Weiters wird Entwicklung fälschlicherweise oft als linearer Prozess dargestellt, der in allen Ländern gleich oder ähnlich abläuft. Erfahrungen haben aber gezeigt, dass jedes Land auf gesetzte Maßnahmen unterschiedlich reagiert. Ursprünglich war die Idee den Marshallplan, der den Wiederaufbau von Europa und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg regelte, auf spezifisch afrikanische Länder zu adaptieren. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen funktioniert diese Übertragung kaum: In Europa ging es um Wiederaufbau, in afrikanischen Ländern geht es vorwiegend um ökonomische Entwicklung.

3) EZA hat die Etablierung einer kapitalistischen Industriegesellschaft zum Ziel. Ein Wirtschaftswachstum – nach europäischem resp. US-amerikanischem Vorbild – ist aus ökologischer Sicht nicht universal umsetzbar. Industrieländer können wegen ihres Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung kaum als Vorbilder gelten.

4) Wie bereits erwähnt, ist das Ziel von EZA rein marktwirtschaftlich sowie eurozentrisch. Subsistenzorientierte, traditionelle Wirtschaftssysteme werden kaum wertgeschätzt. Aktivitäten und Fähigkeiten, die vor allem auf individueller Ebene von Bedeutung sind, verlieren an Wert. Oftmals sind jedoch genau solche Aktivitäten bedeutend, um unabhängige, soziale und ökologische nachhaltige Existenzen zu sichern. Selbst hergestellte Güter sowie traditionelles Wissen bedeutet auch Bedürfnisbefriedigung und darf nicht unterschätzt werden.

5) Die versuchte Übertragung des Gesellschaftsmodells, der Werte und der Ideologien des Globalen Nordens in den Globalen Süden ist auch aus kolonialhistorischer Sicht kritisch zu betrachten. Die Entwicklungshilfe wird von einigen Wissenschaftler*innen vor allem als „Instrument kolonialer Unterdrückung“ angesehen. Das heißt der Kolonialismus besteht weiter, lediglich wird er mit anderen Mitteln fortgeführt. Die Länder, die sogenannte Entwicklungshilfe leisten, verfolgen demnach überwiegend ihre eigenen Interessen. Dabei geht es um Arbeitsplätze für Entwicklungshelfer*innen, politischen Einfluss sowie Rohstoffe.

6) Ein letzter Kritikpunkt ist, dass die Gelder oft bei den „Falschen“ landen, also beispielsweise bei korrupten Regimes oder Staatsbediensteten statt bei armutsbetroffenen Bevölkerungsteilen. Ebenso wird die Zielerreichung oft hinterfragt. Insofern wird von einigen Wissenschaftler*innen eine strengere Evaluation von EZA-Projekten gefordert.

Aufgrund dieser Kritikpunkte scheint ein Paradigmenwechsel unumgänglich. Ein solcher ist in den Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO bereits leicht erkennbar: Sie haben – im Gegensatz zu ihren Vorgängern, den Millennium Development Goals (MDGs) – nicht mehr nur zum Ziel, dass wohlhabende Länder die unterentwickelten unterstützen. Sondern jedes Land findet mindestens ein Ziel, in dem es noch inländischen Verbesserungsbedarf gibt. Das heißt, die SDGs sind für alle Länder weltweit verfasst und nicht lediglich für die des Globalen Südens. Es scheint ein kleiner Schritt in die richtige Richtung zu sein.

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