Hannes Jansky ist organisatorischer Leiter und Obmann des Vereins. Pia Gärthöffner ist Assistentin der Geschäftsleitung und unterstützt bei Geschäftsführungsthemen und der Organisationsstruktur von iwik. Ich habe beide telefonisch interviewt, weil ich mehr über den Verein wissen wollte sowie herausfinden wollte, ob Menschen mit wenig Geld nicht von der Krankenkasse unterstützt werden.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Können Sie kurz erklären, was Ihr Verein macht?
iwik ist ein gemeinnütziger Verein, der sich an Menschen richtet, die sich die gängigen Tarife für Psychotherapie nicht leisten können. Unser Team besteht aus schon länger praktizierenden Psychotherapeut*innen sowie aus Psychotherapeut*innen in Ausbildung und unter Supervision. Unsere Praxis ist in Wien, gleich beim Bahnhof Floridsdorf am Pius Parsch Platz 2. Es ist eine schöne große Praxis mit 7 Therapieräumen.
Die Abkürzung iwik steht für „ich will – ich kann“. Wenn Menschen Hilfe suchen, dann sollen sie diese auch bekommen können, egal wie viel sie verdienen. Deshalb gibt es unsern Verein.
Bekommt man denn von der Krankenkasse keine Unterstützung bei psychischen Problemen?
Viele Menschen, die Psychotherapie machen wollen, können sich das nicht leisten. Eine Therapiestunde kostet 90 bis 130 Euro. Und man geht ja nicht nur einmal zur Therapie, sondern eine Zeit lang wöchentlich. Der Zuschuss der Krankenkasse für eine Therapiestunde beträgt derzeit 28 Euro. Normalerweise bekommt man die Bewilligung dafür für ein Jahr, je nachdem welches Problem man hat, also welches Störungsbild. Es bleiben einem dann ungefähr 250 Euro an Selbstkosten, was sehr hoch ist.
Die Suche nach einem von der Kasse voll finanzierten Platz gestaltet sich sehr schwierig. Es kommt einem Wunder gleich so einen Platz zu erhalten.
Wie kommt man denn zu so einem voll finanzierten Platz?
Österreichweit gibt es keine einheitliche Regelung. Es gibt ein kleines Kontingent an vollfinanzierten Plätzen. In Wien verteilen zwei Vereine diese kostenlosen Plätze, das sind der Verein für ambulante Psychotherapie und der Verein Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung.
Derzeit läuft es dann so ab, dass sich eine Person, die eine Therapie machen möchte, aber sich die normalen Tarife nicht leisten kann, dann an einer der beiden Vereine wendet. Von diesen Stellen bekommen sie dann die Telefonnummern von fünf Therapeut*innen.
Eine TherapeutIn hat ein Kontingent von sechs oder sieben dieser vollfinanzierten Plätze pro Woche. Diese sind sofort ausgebucht. Es gibt leider keine übergeordnete Clearingstelle, die die Plätze insgesamt zuteilt oder eine zusammengefasste Warteliste, in der man nachsehen könnte, wo bald ein Platz frei wird. Dann würde man zumindest wissen, dass man in einem halben Jahr einen Platz bekommt. So muss man durchrufen. Das heißt die Person in Not wird mehrmals abgewiesen. Mit all diesen Ablehnungen umzugehen ist eine weitere psychische Belastung!
Und wir wissen, die Leute rufen wirklich erst an, wenn der Hut schon brennt. Sie können dann nicht ein halbes Jahr oder noch länger auf einen Platz warten. Sie brauchen sofort Hilfe. Der Schritt sich überhaupt einzugestehen, dass man das nicht mehr alleine schafft, der ist ja schon eine große Herausforderung.
Bei uns bekommen sie manchmal sogar am selben Tag noch einen Termin.
Wie finanziert sich iwik?
Wir finanzieren uns derzeit ausschließlich von dem was die Klient*innen zahlen. Es gibt fünf Angestellte und derzeit können wir die Kosten decken.
Die Therapeut*innen in Ausbildung unter Supervision arbeiten für uns ja zu einem sehr geringeren Satz. Sie erhalten dafür die nötigen Praxisstunden um ihre Ausbildung abschließen zu können und iwik bietet ihnen ein förderliches Umfeld mit einer Therapeutischen Leitung. Außerdem übernimmt iwik viele administrativen Tätigkeiten.
Generell kostet bei uns eine Sitzung bei bereits ausgebildeten Therapeut*innen zwischen 35 Euro und 50 Euro und bei Therapeut*innen, die noch in Ausbildung sind zwischen 25 bis 40 Euro.
Wir würden jedoch gerne die Plätze für Menschen aufstocken, die sich diese niedrigen Tarife nicht leisten können. Deshalb haben wir das Crowdfunding Projekt bei respekt.net gestartet. Denn für uns ist wichtig: am Geld soll‘s nicht scheitern. Wir wollen die Therapie anbieten können, egal wie viel jemand am Konto hat.
Wie finden die Menschen zu Ihnen?
Viele Leute, die aus Psychiatrie, Krankenhäusern oder Kliniken kommen, bekommen die Infos über iwik von dort. Auch andere Stellen empfehlen iwik weiter. Natürlich kommen auch viele über Mundpropaganda zu uns.
Was hat sich in der Pandemie geändert? Mit welchen Problemen kommen die Menschen zu ihnen?
Sie kommen, wenn sie nicht mit der Einsamkeit umgehen können, wenn das schon in eine Depression weitergeht. Sie kommen mit unbestimmten Ängsten. Sie wissen nicht weiter. Manche psychische Störungen werden durch die Krise verstärkt. Manchen Menschen geht‘s aber auch besser. Menschen, die Probleme haben mit anderen umzugehen, denen geht es jetzt viel besser.
Diese Krise ist sehr belastend. Menschen die vorher noch irgendwie zurechtgekommen sind, kippen in einen Modus wo sie vieles nicht mehr bewältigen können. Viele Menschen gehen auch einfach nicht mehr raus.
Gerade Alleinerziehende, die im Homeoffice sind, wissen nicht wie sie Kinder passend betreuen sollen. Das ist ja schon für Menschen ohne psychische Probleme eine enorme Herausforderung. Die Kinder müssen ja auch versorgt werden. Es gibt vermehrt Menschen, die mit dem nicht umgehen können.
Wenn das Thema von den Personen nicht bearbeitet wird, dann kann das zu schweren Störungen führen: Suizid, Aggressivität, Beziehungsprobleme zählen zu den möglichen Folgen. Und: Diese Störungen gehen dann auch nicht weg, wenn die Krise vorbei ist.
Gab es einen Anstieg der Nachfrage seit Ausbruch der Krise?
Hier gab es zuerst einen kompletten Einbruch. Derzeit betreuen wir noch nicht so viele Klient*innen, wie vor der Krise. Es haben ja auch viele Angst nach draußen zu gehen. Die Probleme dieser Personen bestehen aber weiterhin und wir hoffen, dass wir all jene auch in Zukunft bald wieder betreuen können.
Bieten Sie auch online Therapiesitzungen?
Ja mit Videotelefonie oder Telefonie. Diese Therapie auf Entfernung wird sehr gut angenommen. Aber den meisten ist es wichtiger den persönlichen Kontakt zu haben. Unter einem Drittel kommt nicht persönlich, sondern macht die Therapiegespräche von zuhause aus. Dort benötigt man dafür aber einen sicheren geschützten Platz, das passt bei manchen, andere haben das nicht.
Bei uns können Therapien jedoch auch im Lockdown persönlich stattfinden, alle Therapeut*innen sind regelmäßig getestet. Die Therapiesitzungen finden mit FFP2 Masken statt. Es gibt aufwendige Sicherheitsvorkehrungen in der Praxis.
Was sind die schönen Momente bei iwik?
Da gibt es viele!
Wenn Sie sehen, wenn Menschen reinkommen, geknickt, mit gesenktem Kopf und dann nach zwei Monaten eine ganz andere Körperhaltung haben. Wenn Sie sehen, wenn Menschen ohne Zuversicht sind, weil sie ihren Arbeitsplatz verloren haben und sich nun keinen Arbeitsplatz suchen trauen, weil sie sich so kaputt fühlen. Wenn diese Personen doch wieder Mut fassen, sich nach und nach bewerben und dann auch wirklich einen Arbeitsplatz finden, das sind wirklich wunderbare und schöne Erlebnisse.
Wir merken auch wie froh und dankbar Menschen sind, wenn sie einmal nicht über Covid reden müssen. Man redet ja sonst über nichts anderes. Sie haben bei uns eine Ansprechperson, einen sicheren Ort für eine Stunde in der Woche. Da können sie sich sammeln und dafür sind sie wirklich dankbar.
Ist Psychotherapie immer noch eher ein Tabu in unserer Gesellschaft?
Ja, ist es. Leider. Es ist wichtig, dass Menschen, die ohnehin schon leiden, nicht noch zusätzlich stigmatisiert werden. In der Bevölkerung sollte klarer sein, dass es in Ordnung ist, dass man in dieser besonderen Situation nicht zurecht kommt und dass es gut ist, wenn man sich Hilfe und Unterstützung sucht!
Es ist vielen immer noch peinlich eine Therapie zu machen. Deshalb kommen die Menschen auch erst dann, wenn sie wirklich nicht anders können.
Wir starten gerade ein Schulprojekt und dort haben die Jugendlichen die Möglichkeit eine Therapie zu machen, ohne dass die Eltern davon wissen. Eben auch aus dem Grund, dass es ein Tabu ist.
Eine junge Person mit 16 oder 17, die sich im Umfeld zuhause schon schwer tut, soll dann nicht noch mit den Eltern diskutieren müssen warum er oder sie in Psychotherapie gehen möchte. Wir wollen diesen Personen die Möglichkeit bieten, dass sie das einfach tun können. Sie können zu uns kommen und müssen nicht aus finanziellen Gründen ihre Eltern fragen.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Am schönsten wäre es, wenn es iwik gar nicht geben müsste. Wir wünschen uns, dass es ausreichend bezahlbare Therapieplätze für Menschen mit weniger Geld gibt. Und das schnell, und nicht nach langen Wartezeiten.
Die Krankenkassen haben zwar angekündigt, dass sie nun wegen der Corona-Krise mehr Plätze zur Verfügung stellen. Der Mehrbedarf ist sicher deutlich höher.
Es arbeiten derzeit um die 50 Psychotherapeut*innen für uns. Diese betreuen jede Woche zwischen 400 und 500 Klient*innen. Wir unterstützen also eine große Anzahl von Menschen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Crowdfunding auf Respekt.net
Menschen benötigen, gerade in Zeiten der Pandemie, dringend leistbare und unbürokratische Hilfe. iwik bietet Klient*innen mit kaum finanziellem Spielraum zeitnahe und günstige Psychotherapie an.
Wir möchten mit Ihrer Hilfe unser Angebot für Jugendliche und alleinerziehende Mütter sowie Väter ausbauen. Diese sind besonders von der Krise betroffen und können sich teilweise nicht einmal die niedrigen Tarife bei iwik leisten.
Unser Projekt schafft mit Ihrer Hilfe bis zu 40 zusätzliche Therapieplätze pro Monat!
Der Verein iwik ist spendenbegünstigt, Ihre Spende ist somit steuerlich absetzbar.
Leistbare Psychotherapie
Mehr über iwik – Verein zur Verbesserung der Lebensqualität
Mehr über das Thema Psychotherapie auf Krankenschein steht auf Psyonline.