Flucht & Zuwanderung

Kickls Erbe: Eine Stellungnahme

„Leider werden viele Altlasten der Strache-Kickl-FPÖ in die neue Regierung mitgeschleppt“, so die asylkoordination österreich in einer ersten Reaktion auf das Regierungsabkommen (RA) zwischen ÖVP und Grünen.

Die so genannte „Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit“ (RA 199) zog viel mediale Aufmerksamkeit auf sich, wird aber Verfassungsrechtler*innen zufolge so nicht möglich sein. Die österreichische Verfassung legt – genauer als Europäische Verträge – fest, wer in Haft genommen werden kann und wer nicht. Unbescholtene Asylwerber*innen fallen jedenfalls nicht darunter. Die Grünen haben inzwischen angekündigt, dass sie für eine Verfassungsänderung nicht zur Verfügung stehen.

Wesentlich bedrohlicher sind aber die fortgesetzten Tendenzen zur Isolation von Asylwerber*innen. So findet sich im Regierungsabkommen der Plan zur Schaffung eines „grenznahen Asylantragsverfahrens im Binnen-Grenzkontrollbereich“ (RA 197). Ein „grenznahes Verfahren“ bedeutet – weil kaum jemand einen Asylantrag an der Grenze stellt – dass Asylwerber*innen aus den Ballungszentren, wo Zugang zu Rechtsberatung durch NGOs möglich wäre, in grenznahe Sammellager ohne Zugang für die Zivilgesellschaft gebracht werden müssen.

Diese Lager werden dann, wie schon von Herbert Kickl geplant, von einer Abteilung der staatlichen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) verwaltet. Diese Abteilung wird dem Innenministerium unterstehen. Eine weitgehende Isolation à la Fieberbrunn (Rückkehrzentrum auf einer entlegenen Alm) ist offensichtlich das Ziel. Jene Abteilung des BBU, die für die Rechtsberatung im Berufungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zuständig sein wird, ist hingegen dem Jusitzministerium zugeordnet. Die Leitung und das Personal könnten demnach mit kompetenten Fachleuten und nicht von schlecht ausgebildeten Erfüllungsgehilfen des Innenministeriums besetzt werden, ein Hoffnungsschimmer.
Ein kleiner Erfolg der Kampagne #fairlassen, die von dutzenden NGOs (darunter auch respekt.net) gegen die BBU geführt wurde, ist die „Schaffung eines Qualitätsbeirates zur zusätzlichen Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Juristinnen und Juristen, dem UNHCR und der Volksanwaltschaft“ (RE 197).

Die im Regierungsübereinkommen festgelegten Maßnahmen im Bereich Migration und Asyl sind eine Mischung aus relativ unverbindlichen und schwammigen Passagen mit Festschreiben sehr detaillierter Vorhaben. So wird zum Beispiel die „Einführung eines Sprachanalysetools voice biometrics zur leichteren Bestimmung des Herkunftslandes“ (RA 198) erwogen. Weniger konkret – wenn auch durchaus positiv zu bewerten – sind Bekenntnisse zur Qualitätsverbesserung und -sicherung des Asylverfahren.

Unter den positiven Punkten zu verbuchen ist ein Absatz zum „Schutz und zur Verbesserung der Rechtsstellung von geflüchteten Kindern“. Dabei geht es darum, dass die die Kinder- und Jugendhilfe schnellstmöglich die Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) übernehmen soll und dass besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl im Asylverfahren von UMF gelegt werden soll.

Auch im Integrationsbereich konnten der ÖVP desintegrative Maßnahmen, wie die so genannten „Deutschförderklassen“ und die „Ausweitung des Kopftuchverbotes auf Mädchen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres“ nicht ausgeredet werden. Dieses Ausmaß toxischer Symbolpolitik überschattet erfreuliche Tendenzen. Positive Ansätze sieht die asylkoordination österreich in Punkten wie der „Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und Diskriminierung“ oder der „Stärkung von Diversität, Diversitätsmanagement und -monitoring in der staatlichen Verwaltung und in staatsnahen Betrieben“. Auch im Integrationskapitel bleiben Absichtserklärungen wie die „Stärkung der ehrenamtlichen Aktivitäten“ oft vage.

Papier ist geduldig, es wird sich spätestens bei den Budgetverhandlungen im März weisen, welche Ressourcen für diese Bereiche wirklich zur Verfügung stehen werden. Die asylkoordination österreich stehen jedenfalls mit unserer Kompetenz und Erfahrung bereit und freuen uns darauf, diese positiven Aspekte mit Leben zu erfüllen.

Eine genaue Analyse des Asyl-Kapitels der Regierungserklärung wird demnächst auf www.asyl.at zu finden sein.

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