Bildung & Ausbildung

„Kindern mit Wertschätzung begegnen!“

„Es gibt so viele Kinder, die kennen es nicht, dass man sich zu ihnen setzt, mit ihnen spricht, geduldig ist, Zeit hat, aufmerksam ist und sich auf sie einlässt“, erklärt Dorith Salvarani-Drill, Geschäftsführerin von FREI.Spiel bei unserem Hintergrundgespräch für derdiedasrespekt.at. Diese Feststellung wird mich noch die halbe Nacht beschäftigen. Auch, dass im Mai zahlreiche Kinder nicht in die Schulen zurückgekommen sind und den betroffenen Kindern ein halbes Jahr Lernen und Betreuung fehlt – ohne Plan von Seiten der Politik, wie das aufgeholt werden soll.

Für das bewundernswerte Projekt „FREI.Spiel macht Schule“, das Kinder in Schulen begleitet, gibt es also jede Menge zu tun, und sowohl die drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen Dorith Salvarani-Drill, Eva Maria Huber und Clara Gomes-Koban, als auch über 150 Freiwillige stehen bereit. Aber Covid-19 hat das Erfolgsprojekt leider gebremst. Insofern ein positives Signal, dass „FREI.Spiel macht Schule“ als Österreichs Ort des Respekts 2020 gekürt worden ist – das hilft auch dem Team, motiviert zu bleiben. Aber von Anfang an: Dass Freiwillige sich authentisch auf Kinder einlassen, ihnen Zuwendung und Zeit schenken ist Kern der Philosophie des Vereins FREI.Spiel. Durch diese Beziehungsarbeit werden Kinder gestärkt und motiviert, in einer vertrauensvollen Beziehung fällt vielen auch das Lernen leichter.

Seit 2013 begleiten die FREI.Spieler*innen Kinder aus sozial benachteiligten Familien einmal wöchentlich in Horten. Im Schuljahr 2018/2019 konnte das Projekt aufgrund der Unterstützung des zuständigen Wiener Stadtrates auf Schulen ausgeweitet werden, denn: „Viele Kinder in unserer Zielgruppe gehen nicht in den Hort. Für einen Platz in einer Ganztagsschule müssen beide Elternteile arbeiten gehen. Und genau diese Zielgruppe – also Kinder, deren Eltern sie nicht unterstützen können – ist oft ab Mittag auf sich alleine gestellt. So ist uns die Idee gekommen, in Volksschulen zu gehen und die Kinder dort zu unterstützen, wo sie ohnehin den Vormittag verbringen“, so Salvarani-Drill weiter. Diese Niederschwelligkeit ist eine weitere Besonderheit des Projektes „FREI.Spiel macht Schule“. „Wir erreichen die Kinder dort, wo sie sind. Die Eltern müssen sich nicht zusätzlich bemühen, dass sie eine Unterstützung für die Kinder bekommen“, führt Huber dazu aus. Unter Anleitung der Pädagog*innen lernen und spielen die Freiwilligen mit Kindern, die Lernschwierigkeiten haben und schaffen einen geschützten Raum, in dem sich die Kinder öffnen können. „Besonders Kinder aus schwierigen Verhältnissen, die manchmal das Gefühl haben, ein bisschen am Rande der Gesellschaft zu stehen, können durch diesen Kontakt und diese Beziehung Respekt erfahren – durch eine Person, die sie wertschätzt“, unterstreicht die Bildungspsychologin Gomes-Koban.

Covid-19 als Projektbremse

Das Projekt „FREI.Spiel macht Schule“ war für alle Beteiligten eine „Win-Win-Win Situation“. Die Kinder haben von der zusätzlichen Aufmerksamkeit profitiert, auch die Pädagog*innen waren über Unterstützung dankbar und viele der 154 Freiwilligen sind in ihrer neuen Aufgabe als Bildungspartner*in aufgegangen. Doch dann kam der März 2020, der Schulschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie brachte. Auch nachdem die Schulen ihren Betrieb wieder aufnehmen konnten, waren „schulfremde“ Personen vielerorts nicht zum Zutritt berechtigt. Eine weitere Herausforderung stellt die Freiwilligenstruktur von FREI.Spiel dar: Viele Freiwillige sind bereits Pensionist*innen und gehören somit zu einer Risikogruppe. 

Beziehungsarbeit steht bei FREI.Spiel im Vordergrund |

Außerdem sind Volksschüler*innen keine Zielgruppe für Online- und Distance-Learning: „ Abgesehen davon, dass es da Geräte, technisches Know-How und Eltern, die dahinter sind, braucht, schaffen es junge Kinder schwer, sich eine Stunde hinter den Computer zu setzen und zu lernen“, klärt mich Gomes-Koban auf.

Außerdem können Online-Angebote den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Viele Freiwillige haben sich aber kreative Wege und Möglichkeiten einfallen lassen, ihren Schützlingen zu zeigen, dass sie noch da sind und an sie denken: „Eine Freiwillige hat Masken für die Kinder genäht, eine andere hat „ihrer“ Klasse einen Brief geschrieben. Auch ZOOM wurde genutzt, um mit einer Klasse in Verbindung zu bleiben. Einer unserer Freiwilligen hat 20 Hampelmänner gebastelt und im Hort vorbei gebracht, eine andere hat ein Video gedreht, als sie den Kindern eine Geschichte vorgelesen hat. Viele haben wirklich alles getan, um den Kindern nahe zu sein“, erzählt Huber, die für die Freiwilligenkoordination verantwortlich ist. 

Das engagierte Team vom Verein FREI.Spiel |

„Wir sind eine echte Freiwilligenorganisation!“

Dass die Freiwilligen auch unter schwierigen Umständen engagiert bleiben, liegt nach Einschätzung des FREI.Spiel-Teams an mehreren Faktoren. Einerseits werden die Freiwilligen sorgfältig ausgesucht und geschult. Darüber hinaus gibt es immer wieder Weiterbildungsangebote zu pädagogischen Themen, Beziehungsarbeit und Kinderschutz. Und – das wird von Anfang an allen Interessent*innen kommuniziert – die FREI.Spieler*innen müssen zuverlässig sein: „Bei uns geht es wirklich um Beziehungspartnerschaften – und Beziehung braucht Zeit. Freiwillige gehen mindestens einmal wöchentlich in die Schulen oder Horte und zwar mindestens ein Jahr lang, um für die Kinder auch verlässliche Vertrauenspersonen zu werden.“

Dafür werden die Freiwilligen vom Verein aber auch hervorragend betreut. „Wir kennen unsere Freiwilligen alle persönlich, ich stimme ihre Einsatzpläne mit allen individuell ab“, erklärt Huber, und weiter: „Außerdem ist uns auch die persönliche Vernetzung unserer Freiwilligen ein Anliegen. Zweimal im Jahr gibt es größere Events, um uns einerseits zu bedanken, und andererseits Vernetzung zu fördern.“ Auch für die Koordination der Freiwilligen war die Corona-Krise eine Herausforderung. FREI.Spiel hat Online-Stammtische für die Freiwilligen ins Leben gerufen, um auch mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

„Jede Klasse ist ein Ort des Respekts“

Die Auszeichnung als Ort des Respekts 2020 kommt für „FREI.Spiel macht Schule“ also zu einem herausfordernden Zeitpunkt. Trotz Corona-Krise und Zugangsbeschränkungen zu Schulen und Horten konnte der Verein die Mehrheit der Freiwilligen halten. Dennoch wird dieses Jahr die Wiener Freiwilligenmesse als „Recruiting-Programm“ abgehen. Umso wichtiger ist es, die Aktivitäten des Vereins auch auf anderen Plattformen darzustellen. Was das Besondere an FREI.Spiel ist, wollen wir zum Abschluss unseres Gesprächs mit dem Team wissen: „Ich denke, dass Respekt wirklich gut zu uns passt, weil es für uns wichtig ist, dass die Kinder respektvoll und wertschätzend behandelt werden. Uns ist auch wichtig, dass wir den Freiwilligen den nötigen Respekt und die nötige Wertschätzung geben. Jeder Hort und jede Klasse, in der eine Freiwillige oder ein Freiwilliger von FREI.Spiel ist, ist ein Ort des Respekts.“

FREI.Spieler*in werden

Um Kinder aus sozial benachteiligten Familien zu unterstützen, müssen Sie über 18 Jahre alt sein und über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen. Sie sollten außerdem zuverlässig sein und mindestens einmal in der Woche Zeit mitbringen, um Kinder an Horten oder in Schulen zu belgleiten.

Weitere Infos unter: http://www.freispielwien.at/mach-mit/freiwillig-engagieren

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