Crowdfunding

So stoppt man ein absurdes Straßenprojekt

Wie alles begann

Helmut Buzzi ist betrieblicher Gesundheitsmanager und lebt in Wiener Neustadt. Er war schockiert, als er von den Plänen der Ostumfahrung erfahren hat und auch davon, dass die Bürgerinitiativen, Vereine und Anrainer*innen mit ihren Gegenargumenten in der Öffentlichkeit so wenig präsent waren, obwohl sie schon seit Jahren mit großem Einsatz gegen dieses absurde Projekt kämpfen.

Die Ost“Umfahrung“ ist ein Projekt aus den 70er Jahren des letzten Jahrtausends. Politker*innen versprechen den Menschen damit Verkehrsentlastungen in der Stadt Wiener Neustadt und in Lichtenwörth, sowie eine bessere Erreichbarkeit wichtiger Wirtschaftsstandorte in und um Wiener Neustadt. Geplant war 2022 mit dem Bau der 4,8 Kilometer langen und mindestens 39 Millionen Euro (ursprünglich war von 30 Mio Euro die Rede) teuren Straße zu beginnen.

Buzzi nahm sich vor, ein Team aus Profis zusammenzustellen, um das Projekt aufzuhalten. Die Aussicht auf eine Trasse, die mindestens 20 Hektar Boden versiegelt, war unerträglich. Außerdem hatte die Politik einige wichtige Tatsachen verschwiegen und sogar öffentlich über das Projekt gelogen. Der Verkehr würde insgesamt zunehmen (auch innerstädtisch!) – eine fatale Weichenstellung in Zeiten der Klimakrise! Die „Umfahrung“ wäre vor allem dazu da, die Zufahrt zu neuen Gewerbegebieten zu erleichtern: Weitere großflächige Bodenversiegelung, noch dazu auf Kosten der Innenstadt. Auch die enorme Gesundheitsbelastung durch die zukünftig 15.000 Fahrzeuge pro Tag für die vielen Anrainer*innen in Wiener Neustadt, Lichtenwörth und Neudörfl wurde ignoriert.

Dazu die Zerstörung einer Natura2000-Au und die Zerschneidung eines Naherholungsgebietes sowie der Verlust wertvollsten Ackerlandes…

Trasse der Ostumfahrung

Ein Team von Profis

Es ging nun darum, Menschen zum Widerstand zu motivieren, die sich rechtlich und mit der Umweltverträglichkeitsprüfung auskennen. Dazu Menschen, die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit übernehmen können. Und wichtig war es auch, den juristischen Kampf der Bürgerinitiativen im Rahmen der UVP zu unterstützen, da braucht es viel Geld, um finanziell dagegen halten zu können. Helmut Buzzi hat sich zu Beginn sehr auf das Teambuilding fokussiert, damit diese Menschen wirklich gut zusammenarbeiten konnte. Die Plattform „Vernunft statt Ostumfahrung“, ist kein Verein, keine Bürgerinitiative – sondern ein loser Zusammenschluss engagierter Bürger*innen.

Informieren und in Austausch gehen

Das Team hat dann begonnen mehr und mehr Leute über das Projekt zu informieren. Sie haben ganz klassisch Flyer verteilt, aber auch eine große Fahrrad-Demo veranstaltet. Online machten sie Zoom-Meetings. Für diese Meetings setzten sie sich auch immer ein Ziel, wie zum Beispiel: wir wollen mindestens 30 Teilnehmer*innen auf unserem nächsten Online-Event.

Diese Ziele haben sie erreicht, indem sie ihr Umfeld ansprachen, möglichst persönlich. Also nicht allgemeine Anreden wie „Liebe Unterstützer*innen“ (außer im Newsletter) geschickt, sondern immer mit der persönlichen Anrede und mit persönlichem Bezug. Das Team hat wirklich viel Zeit und Energie reingesteckt, vor allem zu Beginn, um Menschen direkt zu erreichen.

Eine Online-Petition starten

Im Juli 2020, nach drei Monaten Vorbereitungszeit ging es los mit Öffentlichkeitsarbeit: Beiträge in regionalen und überregionalen Medien, ihre Website mit gleich einmal 50 regionalen und/oder prominenten „Stimmen der Vernunft“ (mehr dazu weiter unten) und eine  Online-Petition auf aufstehn.at. Diese wurde an Bundesministerin Leonore Gewessler, Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner und Bürgermeister Mag. Klaus Schneeberger addressiert.

Die Petition war vor allem für die Motivation im Team super, denn zu Beginn kamen täglich dutzende Unterstützer*innen hinzu, bald waren es 1000, 2000,… Mittlerweile sind es dort fast 4.700 Unterschriften. So kann weiter und gut sichtbar Druck auf die Politik ausgeübt werden.

Vernunft statt Ostumfahrung Lesung

Ein Crowdfunding starten

Im April 2021 hat die Initiative dann ein Crowdfunding auf Respekt.net gestartet. Das war fast ein Jahr nach dem Start der Online-Petition, zu diesem Zeitpunkt gab es schon eine breite Basis an Unterstützer*innen.

Die Beweggründe dafür waren:

  • Vielen Menschen wollten für ihre Initiative spenden, aber gleichzeitig nicht öffentlich sichtbar sein.
  • Viele Menschen wollen oder können nicht aktiv mitarbeiten, wollen aber gerne spenden.
  • Über Respekt.net gelang es, neue Menschen und Zielgruppen erreichen.
  • „Vernunft statt Ostumfahrung“ musste sich nicht um die finanzielle Spendenabwicklung kümmern und konnte sich voll auf das Campaigning fokussieren.

Zusätzlich zum Einsatz persönlicher Mitteln wurden mit diesem Crowdfunding knapp 13.000€ gesammelt. Das Geld wurde einerseits für die Abdeckung von Anwaltskosten (auch da braucht es Profis!) ausgegeben, andererseits für Öffentlichkeitsarbeit. Buzzis Tipp zum Sammeln von Spendengeldern ist es, den Menschen immer wieder klarmachen, dass Aktivitäten etwas kosten. Dieser Fakt geht an vielen Menschen einfach vorbei. Auch ehrenamtliche Arbeit ist in Wirklichkeit nicht kostenfrei. Freiwillige investieren ihre Zeit und ihr Geld, beides müssen sie woanders einsparen.

Unterstützung sichtbar machen

Auf der Website finden sich über 180 „Stimmen für die Vernunft“. Das ist eine Galerie mit Fotos von Personen, die sich gegen die Ostumfahrung aussprechen. Zu Beginn war es schwieriger Unterstützer*innen zu finden, vor allem vor dem Gang in die Öffentlichkeit musste das Team recht vorsichtig sein, wen sie ansprachen. Es gab bei vielen Leuten doch Angst vor der mächtigen Politik…

Aber nach dem Start, als immer mehr Menschen sichtbar wurden, haben sich immer mehr Menschen dann auch öffentlich deklariert. Auch viele Prominente, wie Robert Stachel oder Cesar Sampson, haben die Initiative öffentlich unterstützt.

Inserate schalten statt nur auf Berichterstattung hoffen

Die Initiative hat schnell gemerkt, dass die lokalen Nachrichten nicht, oder oft nur mit Mini-Bildern und Beiträgen auf einer Unterseite, von ihren Aktionen und Anliegen berichten. Zu stark ist die Abhängigkeit der Medien von der Lokal- und Landespolitik. Und auch engagierte Lokaljournalisten müssen aufpassen, sonst bekommen sie selbst berufliche Probleme. Ab und zu gab es aber doch Schlagzeilen, Fotos und Artikel, und auch überregional waren Berichte in Profil, Standard, Krone, Ö1, TV („Am Schauplatz“) ein großer Rückenwind. Aber zusätzlich zur klassischen PR hat sich die Plattform dafür entschieden Inserate zu schalten. Zwar recht teuer, aber es gab dadurch eine größere Aufmerksamkeit in der Region.

So stoppt auch ihr unnötige und sogar schädliche Straßenprojekte

Buzzis wichtigster Tipp für alle, die ähnliche Straßenprojekte stoppen wollen: „Lasst euch nicht von Politiker*innen beschwichtigen. Die sind es gewohnt zu reden und nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Deckt die Fakten auf, betont die größeren Zusammenhänge und lasst euch nicht hinhalten mit leeren Floskeln. Das ist keine angenehme Arbeit, aber sie ist so wichtig!“

 

Lasst euch nicht von Politiker*innen beschwichtigen. Die sind es gewohnt zu reden und nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Deckt die Fakten auf, betont die größeren Zusammenhänge und lasst euch nicht hinhalten mit leeren Floskeln.

Was wurde erreicht?

Durch die juristischen Einsprüche der Bürgerinitiativen konnten die Zwangsenteignungen der Landwirte und damit der Baubeginn verzögern. Die Ostumfahrung ist leider noch nicht vom Tisch, aber 2022 (und wahrscheinlich auch 2023) wird wohl nicht mit dem Bau begonnen.

NÖ Verkehrs- und Finanzlandesrat Schleritzko bekennt sich noch zur „Ostumfahrung“, doch die Signale stehen klar auf Stopp. Das Höchstgericht („Verwaltungsgerichtshof“) hat sich noch nicht zum UVP-Bescheid geäußert. Und ganz wichtig: Selbst wenn das Projekt rechtlich OK wäre, ist das keineswegs eine Aussage zur Sinnhaftigkeit der „Ostumfahrung“ und schon gar kein Auftrag zum Bau.

Danke

Helmut Buzzi sagt noch zum Abschluss:

„Danke, den Menschen in unserem Team, den dutzenden aktiven UnterstützerInnen in und um Wr. Neustadt, den Stimmen der Vernunft, unseren tausenden Abonnenten (Social media, Newsletter), dem Team von #aufstehn, NGOS wie VCÖ, WWF, Global 2000 und natürlich dem Team von Respekt.Net und den über 150 SpenderInnen!“

Vernunft statt Ostumfahrung

Alle Möglichkeiten um die Initiative zu unterstützen findet ihr auf der Website von Vernunft statt Ostumfahrung.

Den Abschlussbericht des Crowdfundings mit allen Details über den Projektverlauf findet ihr auf Respekt.net.

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