Flucht & Zuwanderung

„Lasst sie kommen und bleiben, wenn sie bleiben wollen; sie fehlen uns…“

„Lasst sie kommen und bleiben, wenn sie bleiben wollen; sie fehlen uns. Etwas von ihrer Lebensweise dürfte getrost auf uns abfärben. Sie wären Gewinn für uns nach so viel Verlust. Sie könnten uns lehren, wie nichtig Grenzen sind; denn die Roma und Sinti kennen keine Grenzen. Sie sind überall in Europa zu Hause, sie sind, was wir zu sein vorgeben: geborene Europäer!“, schreibt Günter Grass und könnte uns – was Migrationspolitik betrifft – vorbildlich sein.

Der politisch engagierte Schriftsteller hatte sich nicht nur für die unterdrückten Sinti und Roma eingesetzt, sondern sich auch immer wieder betreffend der Asylpolitik seines Landes zu Wort gemeldet. Nun sind wir im Jahr 2020 in Österreich, und wohl auch in Deutschland, weit davon entfernt, Flüchtlinge willkommen zu heißen bzw. ihnen auch später gleiche Rechte zuzugestehen. Weiterhin bleibt es ein demokratiepolitisches Manko, dass Genfer Konventionsflüchtlingen das Wahlrecht nicht zusteht. Menschen, die seit vielen Jahren in Österreich leben und arbeiten, aber eben nicht genug verdienen (weil im Niedriglohnsektor und prekär beschäftigt) um den strengen Kriterien der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gerecht zu werden. SOS Mitmensch verlangt bereits seit Jahren das Wahlrecht für Menschen ohne Staatsbürgerschaft (Pass egal Wahl).

Die Ausgrenzung ist in dieser Hinsicht demokratiepolitisch sehr bedenklich. Zuletzt hatten sich auch der frühere SPÖ Bundeskanzler Franz Vranitzky und Alt-Bundespräsident Heinz Fischer für ein Wahlrecht von Migrant*innen, die lange Jahre in Österreich leben und arbeiten, ausgesprochen. Ich kenne viele Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, die unter schwierigen Bedingungen und seit vielen Jahren in Österreich arbeiten, aber zu wenig verdienen oder aber auch nicht gut genug deutsch sprechen um den Staatsbürgerschaftskriterien zu entsprechen. Tatsächlich reicht es aber am Arbeitsplatz (in der Fabrik, an der Baustelle) wenn ein A2 Sprachniveau erreicht ist.

Die Verächtlichmachung von Asylwerber*innen und Andersgläubigen könnte letztlich jeden Einzelnen von uns ebenfalls treffen.

Viele dieser Menschen erzählen mir an Wahltagen, dass es ihnen nicht so gut gehe, weil sie sich nicht als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft fühlen. Aus vielerlei Gründen würde ich mir wünschen, dass hier endlich ein Umdenken in der Politik stattfindet. Konservative Gruppierungen, populistische (=rechtsextreme Parteien) sträuben sich gegen diese Forderung und spielen weiterhin mit unbewussten Ängsten, die in der Bevölkerung tief verankert sind. Berechtigte Hilflosigkeitsgefühle angesichts realistisch zu erwartender Klimakatastrophen werden mit „starken Sprüchen“ und „starken Männern“ kompensiert.

Die vom Bundeskanzler (vor Covid 19) angeregten strengeren Bestimmungen für Arbeitslose sollten uns daran erinnern, dass wir alle an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden könnten. Die Verächtlichmachung von Asylwerber*innen und Andersgläubigen könnte letztlich jeden Einzelnen von uns ebenfalls treffen. Sozialhilfeempfänger*innen, welcher Art auch immer, werden verdächtigt, Scheinrentner fabriziert, Arbeitslose des Faulenzens bezichtigt, kranke Menschen in Verdacht gestellt „blau“ zu machen, Asylwerber der Lüge gerügt und so fort. Vielleicht sollten wir daraus Schlüsse ziehen und uns mit allen Benachteiligten, die nicht dem kapitalistischen Geldadel nahe stehen, solidarisieren?

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