Gleichberechtigung & Frauenrechte

Meine ganz persönliche Gender-Falle

„Ich wusste nicht, dass das Twinnie, das ich mein Leben lang gegessen habe nicht für mich gemacht war“ meint meine liebe Kollegin zum nicht mehr ganz so neuen Trend des „Gender-Marketing“. Jep, I feel you. Bis ich Mutter wurde, wusste ich auch nicht, dass Unterleiberl für Mädchen und Buben in der gleichen Größe unterschiedlich geschnitten sind. Aber ich wusste auch nichts von Prinzessinnen- ODER Piratenzimmern und die Nachricht, dass Lego jetzt auch geschlechterstereotypes „Mädchen-Lego“ verkauft habe ich 2012 als Rohrkrepierer abgetan – wer braucht schon rosa Lego, das noch dazu nicht mit allen anderen Lego-Sets kompatibel ist?

Aber von Anfang an: Ich bin ein Kind der 80er Jahre. Ich habe selbstverständlich mit der Brio-Eisenbahn, mit den Matchbox-Autos und dem Playmobil meines Bruders (weiter)gespielt. Ich bin auf Bäume geklettert und habe mir beim Rollschuhfahren den einen oder anderen Knochen gebrochen und beim Toben den einen oder anderen blauen Fleck geholt. Lego war damals im Übrigen noch „Für Mädchen und Jungen“ und meine Kindheit war bunt, nicht rosa. Und die überwiegende Mehrheit meiner Kleidung war sportlich und pflegeleicht, weil sie ziemlich oft dreckig wurde.

Herausforderung geschlechterneutrale Ausstattung

Für mich war es im Herbst 2016 also erstmal etwas seltsam, die Babyabteilung einer Modekette zu betreten: Schon Strampler sind nach Farbe getrennt – und nach Aufdruck. Für weibliche Babies gibt es zu den rosa Stramplern mit Schmetterlingen, Blumen, Herzerl und Glitzer sogar Haarbänder mit Maschen. Leicht ungehalten habe ich auf Rüschenrockerl für Säuglinge reagiert. Wer kauft so etwas Unpraktisches für Babies bitte? Bei der Garderobe für Mini-Buben dominieren Autos, Saurier, coole Sprüche und die Farbe Blau. Ein sehr überschaubarer Teil des Sortiments war als geschlechterneutral einzuordnen. So waren in unserer Grundausstattung dann viele graue oder weiße Strampler, alle sehr kuschelig und ein bisschen bieder. Aber hey, besser als rosa Rüschenklumpert.

Kinderspielzeug in den 80ern war einfach für KINDER |

Die Geschlechtertrennung setzte sich aber auch bei den meisten anderen Anschaffungsbemühungen fort: „Oh, es wird ein Mädchen, wollen Sie nicht unsere Mädchenlinie von „bitte Produkt einsetzen“ sehen?“ Nein, wollte ich/ wollten wir nicht. Wir bekamen in erster Linie einen kleinen Menschen, die*der am Anfang relativ viel kotzen, die ersten Jahre ihres*seines Lebens oft klebrige Finger haben und Dinge eher öfter dreckig machen würde. 

Pragmatismus und „ich will etwas, wo man den Dreck entweder nicht sofort sieht oder leicht abwaschen kann“ haben uns ganz gut durch das Minenfeld der Produkte für Mädchen ODER Buben navigieren lassen. Auch wenn wir uns öfter Mal sozialem Druck in Form von Hinweisen wie: „Andere Eltern kaufen für ihre kleinen Mädchen das und das“ aussetzen durften. Trotzdem haben wir es im Endeffekt hingekriegt, das Babyzimmer neutral zu halten – mit vielen Kuschelbären und forschenden, raumfahrenden Tieren (was natürlich die Deko-Linie „für Buben“ war). Beim Maxi-Cosi bin ich eingebrochen, aber nur, weil das Weinrot viel schöner war, als das Blau.

Und dann kam der Kindergarten

Die ersten Monate des Lebens unserer Tochter haben wir dann ganz gut hingekriegt. Sicher gab es auch mal Geschenke, bei denen es mich vor lauter rosa-Rüschen-Mädchen-Zeug zusammengekrampft hat, aber die waren deutlich in der Minderheit. Wir haben ihr „Pippi Langstrumpf“, „Das kleine Ich bin ich“ und „Good Night Stories for Rebel Girls“ vorgelesen, immer versucht, ihr möglichst vielfältiges Spielzeug anzubieten. Und dann kam der Kindergarten, der unsere etwas abgeschottete, genderneutrale Welt ein bisschen ins Wanken bringt. Trotz gendersensiblen Kinderbildungsplänen, hervorragend geschulten Pädagog*innen und den vermutlich besten Absichten aller anderen Eltern.

Meine Kleine möchte mittlerweile „ausschauen, wie ein Mädchen“, was im Wesentlichen heißt, dass sie ein Kleid anziehen und Zopferl gebunden haben möchte. Sie möchte auch mit „Mädchen-Sachen“ spielen –gerade von Babypuppen ist sie hellauf begeistert. Zu Weihnachten hat sie sich eine Spielküche gewünscht, die quasi täglich bespielt wird – heute Früh hat sie mir erst „Kaffee gekocht“. Und ich frage mich: Wieso ist das so? Ich habe am Papier doch alles „richtig“, feministisch und genderneutral gemacht. Vielleicht liegt es also an uns, unserer Gesellschaft und der Welt an uns herum? Und falls ja, dann sollten wir die Diskussion über die Auswirkungen von Gender-Marketing doch offensiv und ehrlich führen, oder?

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