Demokratie & Bürgerrechte

Political Order and Political Decay: Francis Fukuyama

Fukuyama, ein Professor aus Stanford, wurde mit einer Fehlprognose bekannt: „Dem Ende der Geschichte“, in dem er den Sieg der liberalen Demokratie erkennen wollte. Nun ja. Er ist recht politisch umstritten – aber er schreibt mit viel Wissen und gut zu lesen. In diesem Buch stellt Fukuyama die Frage: Wie sind Staaten zu mehr oder weniger gut organisierten Gemeinwesen geworden und was lässt einen Zerfall erwarten bzw. befürchten? Eigentlich „die“ politische Frage.

Er bringt viele historischen Beispiele aus verschiedenen Ländern und Epochen und zeigt, dass es viele Wege zu gut organisierten Gemeinwesen und eben viele Gefahren dafür gibt.

Als eine zentrale, unvermeidliche Gefahr für ein gutes Gemeinwesen arbeitet er sehr deutlich heraus, wenn Personen für Familie und Freunde Vorteile mit Hilfe des Gemeinwesens organisieren können – in Form von Jobs, günstigeren Zugängen, besserer sozialer Absicherung, Steuerbegünstigungen etc. Korruption im weiten Sinne ist aus seiner Sicht ein zentrales gesellschaftliches Gift, wobei es nicht nur um individuelle Vorteile geht, sondern auch um Gruppeninteressen.

Besonders interessant für Erfolg oder Misserfolg von Gemeinwesen ist aus seiner Sicht die Frage, wie Mittelschichten und aufstrebende Gruppen mit diesem Thema umgehen: Setzen sie sich für eine gutes Gemeinwesen ein (z.B. sieht er das in der früheren dänischen Staatsentwicklung geradezu als Vorbild) oder ist der Fokus eher auf: Wie kann ich ein möglichst großes Stück vom Kuchen ergattern und selbst mitspielen (z.B. Steuerbetrug, Aufstieg meiner Partie, Job im Umfeld bzw. Karriere durch Partei ). Es wird in dem Buch wenig diskutiert, aber vermutlich ist das eine zusätzliche Gefahr: Den Fokus auf privates Leben zu setzen, sich zurückzuziehen oder sich in Start-ups, gut bezahlten Jobs und ähnliche unabhängigen Dingen zu versuchen. In der Historie waren es die Entscheidungen der Mittelschichten, die häufig über Erfolg und Misserfolg des Gemeinwesens entschieden haben – also flapsig: wir.

Beim Übertragen diese Überlegungen auf Österreich scheinen mir mehrere Punkte spannend. Erstens die geringe Bedeutung programmatischer Diskussion im Vergleich zu Klientelpolitik. Dabei bin ich unsicher, ob ich die politischen Diskussionen der 80er/90er gerade in rosarot erinnere oder die aktuellen Diskussionen zu wenig mitbekomme. Zweitens bedrückt es mich, dass eine öffentliche Diskussion häufig behindert wird, in dem die parlamentarische Diskussion geradezu sabotiert wird (durch Initiativanträge zu Themen ohne Zeitdruck, Klubzwang, etc. aber auch durch Blitzentscheidungen im Parlament). Erschütternd ist, dass selbst für existentielle Fragen wie den Klimaschutz Klientelinteressen stark in der Durchsetzung sind: Als Extrembeispiel die Steuerbefreiung für Kerosin!

Das Buch ist ein wahrer Fundus an Beobachtungen zu Gefahren aber auch Chancen für die Verbesserung des Gemeinwesens. Dick und spannend.

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