Social Enterprise & lokale Initiativen

Was taugen Gütesiegel?

Fairtrade, UTZ, Rainforest Alliance, FSC, AMA-Gütesiegel. Die Liste der Gütesiegel könnte beliebig weitergeführt werden. Mittlerweile zieren solche Nachhaltigkeitslabel beinahe jede Verpackung, sei es im Lebensmittel-, Kleidungs- oder Elektrogeschäft. Die Konsument*innen werden überall mit der schieren Anzahl an Siegeln überflutet. Ein Gütezeichen soll informieren, aufklären und nicht zuletzt zum Kauf überzeugen. Die Hersteller wollen sich von anderen, ähnlichen Produkten abgrenzen und sich vor allem positiv hervorheben. „Die meisten Unternehmen agieren nachhaltig, damit dieser Nachfragebereich abgedeckt ist, und kaum aus voller Überzeugung. Ein Label ist in den meisten Fällen ein Mittel zur Förderung des Absatzes“, sagt Christian Kornherr, Bereichsleiter der Untersuchungen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Für Alfred Strigl vom Österreichischen Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) ist ein Siegel jedoch mehr als bloßes Marketing: „Ein Siegel ist natürlich unter anderem da, um das Image zu steigern, aber auch zur Steigerung des Bewusstseins sowie einer einfacheren Kund*inneninformation. Ein Siegel ist eine schnelle Vermittlung von Systemen und Prozessen, die im Hintergrund liegen.“

Bestätigung von Dritten

Die Gütesiegel werden meist von unabhängigen Institutionen vergeben. Diese prüfen, ob das entsprechende Produkt oder das Unternehmen die Kriterien des Siegels erfüllen. Für Christian Kornherr sind die Siegel gerade wegen der Beurteilung durch eine externe Organisation bei den Produzenten so beliebt: „Es genügt nicht mehr, wenn ich als Hersteller sage: ,Mein Produkt ist gut.‘ Am besten soll dies jemand anders bestätigen. Das Label ist also immer eine Bestätigung von anderen, dass mein Produkt auch wirklich gut ist.“ Die Kriterien sind meist in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales angesiedelt. Nur in den wenigsten Fällen hat ein Label den Anspruch, in allen drei Kategorien nachhaltig zu sein. Werden die Kriterien erfüllt, dürfen die Hersteller das Label auf ihrem Produkt anbringen und damit werben. Nachdem es aber immer mehr unternehmenseigene Siegel gibt, konterkarieren diese die von unabhängigen Institutionen und bringen damit alle Zertifizierungen in Misskredit.

Großes Marketing, nichts dahinter

„Mir wird gesagt, dass ich die Welt retten kann. Alles, was ich dafür tun muss, ist nachhaltige und faire Produkte einzukaufen. Aber das ist eine Lüge!“ Bereits der erste Satz des Dokumentarfilms „Die Grüne Lüge“ ist ernüchternd. Das Werk des österreichischen Filmemachers Werner Boote und der Autorin des gleichnamigen Buches, Kathrin Hartmann, erhebt schwere Vorwürfe gegen Hersteller, die mit umweltschonenden und nachhaltigen Produkten werben. „Siegel versuchen eine ganze Menge von Informationen auf etwas herunterzubrechen, das dem*der Käufer*in sagt: ‚Das kannst du ganz beruhigt kaufen.‘ Das stimmt aber in den allermeisten Fällen nicht, vor allem wenn es Industriesiegel sind“, so Kathrin Hartmann im Interview. Unter einem industrienahen Siegel versteht die 46-Jährige Labels, die entweder von den Unternehmen mitentwickelt wurden, wie etwa das Siegel des Roundtable on Sustainable Palmoil (RSPO), oder für den Massenmarkt konzipiert wurden. Dazu gehören beispielsweise Rainforest Alliance oder UTZ certified. „Auf diese Siegel kann man sich nicht verlassen. Sie haben ganz schwache Kriterien und sind nicht unabhängig kontrolliert“, erklärt Hartmann weiter. Dieses Vorgehen nennt man „Greenwashing“. Das Unternehmen präsentiert sich in der Öffentlichkeit als umweltfreundlich, nachhaltig oder fair. In Wahrheit jedoch ändert die Firma nichts oder nur sehr wenig an den Produktionsmethoden. Nach Kathrin Hartmann versuchen viele Unternehmen, sich durch Nachhaltigkeitssiegel „grün zu waschen“: „Es wird versucht, etwas per se Schädliches für gut zu verkaufen, was aber gar nicht gut hergestellt werden kann, wie beispielsweise Palmöl. Das kann aber niemand von uns überprüfen. Es wird mit dem schlechten Gewissen der Konsument*innen kalkuliert – und das ist das Gemeine.“ Alfred Strigl findet, dass sich die Unternehmen mit dem Greenwashing selbst eine Falle graben: „Sobald kritische Konsument*innen oder Journalist*innen nachfragen, wird es brenzlig und dann muss tatsächlich was geschehen. Dann müssen nach Worten auch Taten folgen. Dezentes Greenwashing ist sogar gut, um Unternehmen auf die grüne Spur zu bringen.“

Ratgeber zur Orientierung

Auf dem Markt gibt es derzeit mehr als 200 Nachhaltigkeitssiegel. Kathrin Hartmann hat dafür wenig Verständnis: „Wenn die Industrie, wie sie ja vorgibt mit den vielen Siegeln, tatsächlich Profit machen würde mit ökologisch und sozial gerechtem Wirtschaften, Handeln und Rohstoffbezug: Wieso sollten sie überhaupt etwas anderes tun? Warum dann dieser ganze Zinnober mit Nachhaltigkeitssiegeln?“ Trotz kritischer Stimmen steigt die Nachfrage nach Zertifizierungen durch Labels und mit der Nachfrage steigt auch die Produktion von eben diesen. In diesem entstehenden Labeldschungel kann man leicht die Orientierung verlieren. Der*m Konsumentin*en bleibt, die Produkte und deren Herstellung kritisch zu hinterfragen und sich vielseitig über Labels zu informieren. Es gibt diesbezüglich bereits zahlreiche Checks, Bewertungen und Ratgeber. So hat auch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus bereits einen entsprechenden Label-Kompass zur Orientierungshilfe herausgegeben. 

Weitere Hilfen:
Gütesiegel-Check von Global 2000: https://www.global2000.at/guetesiegel-check
Gütezeichen-Guide von Greenpeace: http://bit.ly/2GRmNZt

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