Gleichberechtigung & Frauenrechte

Schattenpandemie: Die Pandemie hat ein Geschlecht

Schon zu Beginn der Covid-19 – Pandemie wurden Stimmen laut, die vor der Zunahme (sexueller) Gewalt gegen Frauen und Mädchen warnten. Nach knapp 14 Monaten Pandemie folgt ein dramatisches Fazit: Die schon bestehende Benachteiligung von Frauen wurde durch die Covid-19 Pandemie zusehends verschärft. Etliche Studien über Epidemien oder Konflikte in der Vergangenheit deuten darauf hin, dass in diesen Situationen Frauen und Mädchen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind – mehr als in „normalen“ Zeiten. Vergewaltigungen bis hin zu Zwangsarbeit haben in Krisenzeiten „Konjunktur“. Der Begriff Gewalt kann und muss hier sehr breit gefasst werden – physische, psychische bis hin zur kulturelle Gewalt werden darunter subsumiert. Die Pandemie ist also ein Trigger. Der Grund: Bestehende Diskriminierung und Benachteiligungen.

Sozio-ökonomische Folgen 

Schon eine Studie von Blanton et al. aus dem Jahr 2019 bestätigte, dass Frauen in Krisenzeiten die ersten sind, die von Entlassungswellen betroffen und nach der Krise die letzten sind, die wieder zurück in den Arbeitsmarkt finden. Allgemein gesprochen sind Frauen im kundenorientierten Sektor (Schönheitsbranche, Tourismus, Eventbranche, Gastronomie) überrepräsentiert. Jedoch sind es genau diese Branchen, die von den wirtschaftlichen Folgen von Gesundheitskrisen besonders betroffen sind. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen dies ganz deutlich. Nach der Ebola-Krise in Westafrika, 2014-16, nahmen etwa 63 % der Männer, die zuvor arbeitslos geworden sind, ihre Arbeit nach einem Jahr wieder auf, ab, während hingegen der Anteil der Frauen nur bei 17% lag.

Die ökonomischen Folgen führen zu Bedrohungen für das leibliche Wohlergehen. Dort, wo irreguläre Arbeit zunimmt, nehmen auch Formen der Ausbeutung durch den fehlenden Schutz zu. Schlimmer noch, Menschenhandel, Sklaverei, Zwangsprostitution und Kinderehen haben Spitzenwerte in Zeiten von Krisen. Abgesehen von den physischen Folgen sind die Betroffenen natürlich auch den psychischen Traumata von Gewalt ausgesetzt.

The pandemic exposes women's precarious economic security

Dabei sind nicht nur Frauen, die in absoluter Armut leben, von den begleitenden Gefahren der Pandemie betroffen. Auch in Europa sind Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt nicht ausreichend geschützt. Dramatisch ist hier beispielsweise die Zunahme häuslicher Gewalt. Laut UN Women war vor 2020 jede dritte Frau von (sexueller) Gewalt betroffen. Die Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen seit der Pandemie drastisch zunimmt, ist alarmierend.

Wo sind die Frauen?

Die Pandemie hat also ein Geschlecht. Natürlich möchte ich nicht die Tatsache nicht hinunterspielen, dass auch Männer an den Folgen der Pandemie nicht leiden, aber die geschlechtsspezifischen Auswirkungen, die vor allem Frauen und Mädchen betreffen, bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Nur so können wir dazu beitragen, dass geschlechtsspezifische Gewalt nicht unter den Tisch fällt und vernachlässigt wird.

Doch wir versagen. Gesamtgesellschaftlich versagen wir darin, Frauen und Mädchen effektiv zu schützen oder ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu schützen. Und das betrifft nicht nur die direkte Gewalt, sondern auch die ungleiche Verteilung der Last zuungunsten der Frauen. Wir versagen auch in Punkten der Repräsentation. Obwohl Frauen 70% der Care Arbeit leisten, sind sie in den internationalen und nationalen Covid-19 – Arbeits- und Einsatzgruppen unterrepräsentiert. So sind beispielsweise zurzeit nur 9 der 31 Mitglieder und Berater*innen des Covid-19 Notfall-Komitees der Weltgesundheitsorganisation Frauen.

Gender Equality in Covid-19 Response

Der Kampf geht weiter

Die Annahme, dass die Krise bestehende Missstände nicht nur aufzeigt, sondern tatsächlich verschärft, trifft in diesem Fall leider voll und ganz zu. Obwohl etliche Medienberichte, Organisationen und Expert*innen auf dies alles aufmerksam machen, passiert effektiv gesehen nicht viel und vor allem nicht genug. Frauen und Mädchen werden nicht geschützt, alle Bestrebungen für mehr de facto Gleichberechtigung für alle Geschlechter werden gedämpft. Und einmal mehr wird klar: Der Kampf für Gleichberechtigung muss weitergehen.

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