Demokratie & Bürgerrechte

unsereverfassung.at stellt sich vor

Wer oder was ist unsereverfassung.at?

Christoph Konrath (CK): unsereverfassung.at ist in erster Linie eine Webseite, die Basisinformationen zur Verfassung, Demokratie und zu den Menschenrechten in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung stellt. Dabei sind wir auf eine zugängliche Sprache bedacht und betten unsere Texte in Geschichten ein. Außerdem behandeln wir aktuelle Fragen rund um die Verfassung und bieten Workshops und Vorträge an. 

Warum sollten wir uns um die Verfassung kümmern?

Franziska Bereuter (FB): Um die Verfassung kümmern sollte man sich in erster Linie aus dem Grund, weil es einfach jede*n von uns betrifft. Es sind oft Themen, an die man täglich rührt und mit denen man zu tun hat, auch wenn man manchmal nicht genau weiß, wie man sie einordnen soll und in welchem Kontext sie stehen. Und hier möchte unsereverfassung.at einen Beitrag leisten. Wir möchten ins Gespräch kommen. Daher haben wir die Basistexte, in denen wichtige Vokabeln erklärt werden, wie zum Beispiel die Demokratie, der Rechtsstaat und die Grundrechte. Die Idee ist, dass man ins Gespräch kommt und merkt, wo man selbst von diesen Punkten in der Verfassung betroffen ist.

Ihr seid Verfassungsexpert*innen. Da hätte ich gleich eine Frage an euch: Das 100jährige Jubiläum unserer Bundesverfassung steht an. Welchen Aspekt findet ihr in der Rückschau am wichtigsten? Was war damals visionär und tritt heute in ihrer vollen Aktualität ein?

CK: An der österreichischen Bundesverfassung ist interessant, dass sie in einer Zeit geschaffen worden ist, als niemand geglaubt hat, dass man zusammenkommen kann. Die politischen Lager waren damals durch sehr große Gegensätze gekennzeichnet. Und da sind die Nüchternheit der Sprache der Verfassung und die Zugänge zu verfassungsrechtlichen Fragen richtungsweisend. Starke Wörter wie Volk oder Macht wurden weitgehend vermieden. 

Das ist ein Ansatzpunkt, um in einer sehr vielfältigen und sehr unterschiedlichen Gesellschaft, wie sie heute auch ist, einen gemeinsamen Boden zu finden.

Gleichzeitig hat sich in der 100jährigen Geschichte der Verfassung gezeigt, dass sie heute durch ihre Nüchternheit wenig Anknüpfungspunkte bietet. Die Verfassung wird sehr schnell sehr technisch und vieles ist etwas versteckt. Das sieht man am besten, wenn man sie mit der deutschen Verfassung vergleicht, die mit der Würde des Menschen und den Menschenrechten beginnt und somit auch mit einer Art Erzählung einleitet. Die Grund- und Menschenrechte findet man in der österreichischen Verfassung dagegen nicht so leicht. Dieser sehr technische Zugang ist vor allem dann ein Problem, wenn es um verfassungsrechtliche Fragen in Österreich geht. Dann wendet man sich sofort an Expert*innen. Somit ist die Verfassung zu einer Expert*innensache geworden und man hat nie Bemühungen unternommen, das Verständnis über die Verfassung in der breiten Bevölkerung stärker zu verankern. Und das ist vielleicht der etwas problematischere Aspekt in der Geschichte.

Um die Verfassung kümmern sollte man sich in erster Linie aus dem Grund, weil es einfach jede*n von uns betrifft.

Das leitet mich gut zur nächsten Frage über. Wie seid ihr entstanden und was war eure Motivation?

CK: Das ist eine ganz komische Geschichte. Die Idee ist Anfang 2015 entstanden, als weitere Verschärfungen im Bereich der Asylverfahrensrechte diskutiert wurden, und ich damals die Vorsitzenden der großen juristischen Vereine anschrieb, und anfragte, was sie angesichts dieser Herausforderung an den Rechtsstaat tun würden. Ich bekam daraufhin einen Anruf, in dem mir versichert wurde, dass man sich über mich erkundigt habe, und nun wisse, dass ich kein Spinner sei. Allerdings wurde ich um Verständnis dafür ersucht, dass man trotz ähnlicher Sorgen nichts tun könne. Also habe ich es gemeinsam mit anderen selbst in die Hand genommen. Das hat es dann auch insofern gebraucht, als mehr und mehr Leute gefragt haben, ob ich nicht gute Informationstexte zu Demokratie und Verfassung hätte. Und aus dem heraus entstand dann die Idee, eine Webseite mit zugänglichen Texten ins Leben zu rufen. Die Webseite war bis 2016 in Arbeit und viele Menschen haben sich zur Mitarbeit bereit erklärt. Gemeinsam haben wir die Texte durchgelesen, überprüft und übersetzt. 

Damals hatten wir noch keine Texte mit Aktualitätsbezug online. Das kam erst mit der Bundespräsidentenwahl 2016, als so oft gewählt wurde und so viele Fragen in diesem Zusammenhang aufkamen. So kam dann der zweite Schwerpunkt hinzu. Wir wollten auch solche aktuellen Fragen beantworten. 

Wie ihr schon erwähnt habt, haben sich sehr viele Leute bei euch zur Mitarbeit gemeldet. Ihr habt sehr viele Freiwillige. Das ist etwas, worum sich ganz viele Organisationen und Initiativen reißen. Was ist da euer Geheimnis?

CK: Wir wollen sichtbar machen, wer mitarbeitet und mitgearbeitet hat, damit es keine anonyme Sache bleibt. Aber so wie auch bei vielen anderen Vereinen ist es auch bei uns so, dass es letztlich dann doch eine eher kleinere Kerngruppe ist, die sich laufend um alles kümmert. Wir haben auch einen Pool an Leuten um uns, die uns mit Spenden, Übersetzungen und anderweitigen Anliegen stets helfen. Freiwilligenarbeit ist natürlich eine Herausforderung, weil es an Ressourcen gebunden ist. Und die Herausforderung ist umso größer, wenn man um fundierte Informationen bitten möchte. Da stehen wir vor denselben Problemen wie alle anderen auch.

Die Texte auf unsereverfassung.at sind oft in mehrere Sprachen übersetzt. Warum ist es euch ein Anliegen, die Texte auch auf Türkisch, BKS etc. zugänglich zu machen?

FB: Unser Anliegen ist eigentlich ein recht banales. Wir wollen, dass Menschen die Texte leichter lesen und damit verstehen können. Auch im Deutschen setzen wir auf eine einfache und verständliche Sprache und nutzen auch Bilder, um die Informationen greifbar zu machen. Die Texte halten wir auch bewusst kürzer. 

Trotzdem ist es eine andere Dimension, Texte in seiner*ihrer eigenen Sprache zu lesen. Wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist, ist die Hemmschwelle, sich mit den Themen zu beschäftigen, oft hoch. Die Übersetzungen ermöglichen so mehr Menschen, mitzureden. Das ist natürlich eine super Sache und es macht auch Spaß, die Übersetzungen zu bearbeiten. Manchmal bekommt man auch mit, wie gewisse Konzepte/Begriffe in anderen Sprachen andere Bedeutungen oder auch Konnotationen haben können. Sprachliche Feinheiten können Unterschiede machen und mit den Übersetzungen können wir auch das berücksichtigen.

Wir wollen beantworten, ob die österreichische Verfassung in guter Verfassung ist oder nicht.

Meine letzte Frage ist: Bald startet die Kooperation zwischen unsereverfassung.at und derdiedas Respekt. Auf was dürfen sich unsere Leser*innen schon freuen? 

CK: Unsere Leser*innen dürfen sich darauf freuen, dass wir Fragen stellen und beantworten werden, die sich jede*r einmal gestellt hat und sich vielleicht nicht auszusprechen getraut hat, weil man sich vielleicht denkt, „ui das könnte peinlich sein, wenn ich das nicht weiß“. 

FB: Und inhaltlich haben wir uns vorgenommen, gewisse Themen anzuschneiden. Unter anderem geht es auch um Meinungsfreiheit und verschiedene Themen rund um Fairplay oder Gleichberechtigung. 

CK: Bis zum Verfassungsjubiläum im Herbst dieses Jahres wollen wir die wichtigsten Fragen, die mit der Verfassung zu tun haben, behandeln. Wir wollen beantworten, ob die österreichische Verfassung in guter Verfassung ist oder nicht.

 

 

Christoph Konrath |

Dr. Christoph Konrath MSc (LSE)

Studium der Geschichte, politischen Philosophie und Rechtswissenschaften in Wien und London. Jurist und Politikwissenschaftler in der Parlamentsdirektion, Vortragender an Universitäten, Gründer des Vereins „unsereVerfassung“ und Autor des Buchs „Und was macht eigentlich das Parlament?“.

Mag. Franziska Bereuter, BA

Studium der Rechtswissenschaften und Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Danach Universitätsassistentin am Institut für Rechtswissenschaften an der BOKU Wien, derzeit Mitarbeiterin in der Parlamentsdirektion. Ehrenamtliche Tätigkeit im „Legal Literacy Project Wien“ (2015-17) und im Verein „unsereVerfassung“.

Franziska Bereuter

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