Demokratie & Bürgerrechte

Warum wählen Menschen populistische Parteien?

Der Politologe und Bremer Universitätsprofessor Philip Manow hat es sich zur Aufgabe gemacht zu erkunden, welche ökonomischen Gründe es für populistisches Wahlverhalten geben könnte. Sein Buch „Die politische Ökonomie des Populismus“ ist ein informative Reise durch die politischen und ökonomischen Realitäten der Europäischen Union.

„Wer über den Populismus reden will, aber nicht zugleich auch über den Kapitalismus,“ steht auf dem Klappentext des Buches „landet meistens nur bei der Identitätspolitik.“ Anders als viele politische Kommentatoren, hält Manow nichts von Theorien, die Populismus mit einem erstarkten Bedürfnis nach nationaler Identität erklären wollen und er setzt  „Populismus“ auch nicht mit „Rechtspopulismus“ gleich. Sein Buch differenziert somit zwischen rechts- und linkspopulistischer Strömungen, wobei er letztere vor allem in Südeuropa verortet.

Philip Manow versucht die Orientierung gewisser Wählerschichten in Richtung Populismus nicht mit der Angst vor dem Islam, dem Feminismus oder der Transgenderbewegung zu erklären, sondern an konkreten ökonomischen Problemen festzumachen. Seine Hauptverdächtigen sind dabei Globalisierung und Digitalisierung. Bedroht fühlen sich, nach seiner Analyse, allerdings nicht notwendigerweise die ökonomisch Schwachen – die sogenannten Wohlstandsverlierer – sondern vielmehr eher die Mittelschichten. Menschen deren Abstieg  zumindest im Moment noch  mehr fantasiert als real ist. Sie sind seiner Analyse nach auch die größte Wähler*innengruppe der AfD in Deutschland.

Manow beschreibt bedächtig und unaufgeregt die gängigsten populistischen Welterklärungsmodelle und stellt ihnen Zahlen und Fakten über das Erwerbsleben europäischer Arbeitnehmer*innen gegenüber. Er beschreibt dabei auch, wie sich populistische Argumentationslinien innerhalb Europas ausdifferenzieren: Während sich in den nördlichen und westlichen europäischen Demokratien die liberalisierten Arbeitsmärkte in rechtspopulistischen Strömungen niederschlagen, setzen sich in den südeuropäischen Demokratien – mit ihren noch stärker insiderisch organisierten Arbeitsmärkten – eher die Linkspopulisten durch. Manow argumentiert die Unterscheidung (verkürzt) ungefähr so: Rechtspopulisten nutzen die Angst vor „den Fremden“, die den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen könnten, Linkspopulisten richten sich hingegen eher gegen „die Globalisierung“, die billige fremde Waren ins Land lässt und die Produktion im Inland schwächt.

Interessant auch das Kapitel in dem Manow aktuelle Wahlentscheidungen mit teilweise länger zurückliegenden Arbeitslosigkeit korreliert. Das Fazit: Wer einen Abstieg bereits erlebt und sich mühsam wieder herausgearbeitet hat, der wählt in Zukunft die, die ihm versprechen, einen neuerlichen Abstieg mit allen Mitteln zu verhindern. 

Die politische Ökonomie des Populismus ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, das versucht ökonomische Zusammenhänge aufzuzeigen, die in den hitzig und manchmal hysterisch geführten Debatten um „Unsere Werte“, „Heimat“ und die „Bedrohung Islam“ oft unterzugehen drohen: Der Angst der Mittelschichten vor einem drohenden ökonomischen und sozialen Abstieg oder davor den eigenen Kindern beim sozialen Abstieg zusehen zu müssen. 

Eine Thematik, die nicht nur in Bezug auf den Populismus sondern auch in Bezug auf die Klimakrise heutige und zukünftige Generationen noch lange beschäftigen wird.

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