Demokratie & Bürgerrechte

Was sagt die Verfassung zu Meinungs- und Pressefreiheit?

Am 21. April 2020 hat „Reporter ohne Grenzen“ die Rangliste der Pressefreiheit weltweit präsentiert. Gegenüber 2019 ist Österreich um zwei Plätze abgerutscht und liegt nun auf Rang 18. Das ist, wie auch manche Reaktionen gezeigt haben, nicht so leicht nachvollziehbar: In Österreich sichert das Verfassungsrecht Meinungs- und Pressefreiheit. Die Gesetzestexte dazu wurden schon lange nicht mehr geändert. Medien werden weder von der Polizei kontrolliert noch durch den Staat geschlossen. Politiker*innen von Regierungs- und Oppositionsparteien betonen, wie wichtig die Pressefreiheit für die Demokratie ist.

Worauf in der Rangliste aber hingewiesen wird, sind die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Medien arbeiten. Die Daten dazu beziehen sich auf 2019. Bei der Präsentation der Rangliste wurde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig diese Freiheiten in Krisenzeiten sind. Falschinformationen und Verschwörungstheorien gefährden eine demokratische Gesellschaft dabei ebenso wie Regierungen, die unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes Maßnahmen treffen, um die Pressefreiheit in ihrem Interesse einzuschränken.

Aber was sagt eigentlich die Verfassung dazu?

Einschränkungen gelten nur bei Äußerungen, die gegen grundlegende Werte der Menschenrechtskonvention oder die Verfassung verstoßen.

Worum geht es bei der Meinungsfreiheit?

Meinungsfreiheit beinhaltet mehr, als „nur“ die Meinung sagen zu dürfen. Auch das Übermitteln einer Meinung und das Empfangen von Informationen sind geschützt. Das wird daran klar, dass die Meinungsfreiheit von Jurist*innen häufig als Kommunikationsfreiheit bezeichnet wird – und Kommunikation passiert in der Regel in mindestens zwei Richtungen. Ob es sich um eine inhaltliche Meinung zu einem Thema oder bloß die Mitteilung einer Information handelt, macht dabei keinen Unterschied. Es sind auch Werturteile, Kritik oder Beleidigungen geschützt. Einschränkungen gelten nur bei Äußerungen, die gegen grundlegende Werte der Menschenrechtskonvention oder die Verfassung verstoßen. Das ist beispielsweise bei rassistischen Hassreden der Fall oder bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung, die nach dem „Verbotsgesetz“ (einem Verfassungsgesetz) in Österreich verboten ist.

Wie unterscheiden sich Meinungsfreiheit und Pressefreiheit?

Von Pressefreiheit spricht man, wenn speziell der Schutz für die Tätigkeit von Vertreter*innen der Medien gemeint ist. Wer Berichte für die Presse verfasst, erfüllt eine wichtige Aufgabe in einer demokratischen Gesellschaft. Durch Information und kritische Berichterstattung tragen Medien nicht nur zu Meinungsvielfalt bei, sondern können auch auf Missstände im Staat aufmerksam machen. Damit nehmen sie eine kontrollierende Rolle gegenüber dem Staat ein. 

Das wird (gar nicht so selten) von Politiker*innen, Behörden oder Unternehmen als lästig empfunden, und in vielen Staaten kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen über diese Freiheiten. Weil Meinungs- und Pressefreiheit zu den wichtigsten Rechten der Europäischen Menschenrechtskonvention zählen, kommen solche Gerichtsverfahren meist bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser hat klipp und klar festgehalten, dass Medien „public watchdog“ in einer demokratischen Gesellschaft sind.

Daher darf es für die Presse auch kein Konzessionssystem geben. Das bedeutet, dass vor allem Zeitungen keiner staatlichen Genehmigung unterworfen werden dürfen, um berichten zu können. Außerdem ist die sogenannte Vorzensur verboten. Eine Vorzensur wäre zum Beispiel, wenn der Inhalt jeder Zeitung einer staatlichen Prüfung noch vor Veröffentlichung unterzogen würde oder wenn Filme eine behördliche Genehmigung bräuchten, bevor sie im Kino gezeigt werden dürften.

Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich durch einen Pluralismus an Meinungen sowie durch Toleranz und Aufgeschlossenheit aus.

Der EGMR nennt das Recht der freien Meinungsäußerung einen Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich durch einen Pluralismus an Meinungen sowie durch Toleranz und Aufgeschlossenheit aus. Daraus folgt, dass die Meinungsfreiheit nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf.

Durch welche Bestimmungen schützt die Verfassung die Meinungsfreiheit?

Die Meinungsfreiheit ist in Österreich seit langem und durch mehrere gesetzliche Bestimmungen geschützt. Am ältesten ist Artikel 13 Staatsgrundgesetz (StGG), der am 23. Dezember 1867 in Kraft trat. Das Verbot der Vorzensur hat seine Grundlage im Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918.

Die bedeutendste Bestimmung für die Meinungsfreiheit ist Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – sie geht nämlich weiter als die beiden zuvor genannten Grundrechte. Art. 10 EMRK ist in Österreich Teil der Verfassung und lautet: 

„Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.“

Die Meinungsäußerungsfreiheit gilt aber nicht schrankenlos. Erstens braucht es eine gesetzliche Grundlage, die einen Eingriff erlaubt. Zweitens muss damit ein Zweck verfolgt werden, der den Eingriff rechtfertigt und drittens, muss er verhältnismäßig sein. Art. 10 EMRK nennt selbst Gründe, aufgrund derer diese Freiheit eingeschränkt werden darf. Dies sind unter anderem die nationale und die öffentliche Sicherheit, die Verhütung von Verbrechen, der Schutz der Gesundheit oder der Rechte anderer Menschen. Der EGMR hat in mehreren Gerichtsverfahren festgehalten, wie diese Beschränkungen zu verstehen sind und wie weit sie reichen.

Aber worin liegt jetzt die Bedrohung?

Wenn wir über diese Regelungen und vor allem ihre Auslegung und Anwendung durch Gerichte lesen, müssen wir eigentlich davon ausgehen, dass Meinungs- und Pressefreiheit gut geschützt sind. Gleichzeitig stellen wir fest, dass viele dieser Bestimmungen schon recht alt sind. Und genau hier liegt das Problem: Meinungs- und Pressefreiheit stammen aus einer Zeit, wo Public Relations und strategische Medienarbeit noch weitgehend unbekannt und das Internet unvorstellbar waren. Sie gehen, wie das Bild des „public watchdog“ zeigt, von einer recht klaren Rollentrennung aus. Das ist heute alles nicht mehr so klar: Politiker*innen betreiben ihre „eigenen Kanäle“, um „direkt“ in Kontakt zu kommen. Gerade in Österreich, wo es nach wie vor keine eindeutige Regelung von Transparenz und Informationsfreiheit im staatlichen Bereich gibt, haben auch jene einen Vorteil, die über Information(sweitergabe) bestimmen. Bundes- und Landesregierungen unterstützen einzelne Medienunternehmen gezielt mit Inseraten. Die Reichweite der Medien wird zum entscheidenden Kriterium dafür, wer Werbeschaltungen bekommt. Gerade für die Pressefreiheit heißt das, dass sich die Bedingungen, unter denen sie ausgeübt werden kann, laufend verändern: Es ist eine Sache, ein Recht zu haben, und es ist eine andere Sache, dieses auch wahrnehmen zu können. Und genau darum geht es Reportern ohne Grenzen.

Verweise:

unsereverfassung.at

Mehr zur Bundesverfassung und Corona gibt es im aktuellen Themenschwerpunkt von unsereVerfassung.

Mehr zu den Grundlagen von Rechtsstaat und Demokratie findet sich in den Basistexten auf www.unsereverfassung.at.

Weitergehende (und internationale) Debatten über Verfassung, Demokratie, Grundrechte und die Bekämpfung von COVID-19 werden unter anderem auf www.verfassungsblog.de geführt.

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