Respekt & Vielfalt

Wenn der Babyelefant das Beste aus beiden Welten im Schlamm auf Lesbos sucht…

Wie erheiternd das Jahr 2020 doch begonnen hat: Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilte die neu geformte Regierung zum Schwimmunterricht ein und taufte Sebastian Kurz auf den Namen Philipp. Falsch eingeblendete Untertitel einer Telenovela sorgten bei der Angelobung von Türkis-Grün am 7. Jänner für diesen besonderen Fernsehmoment. Apropos Fernsehmoment: Die Übertragung der Heeresleistungsschau am Heldenplatz zum Nationalfeiertag gestaltete sich besonders trübsinnig, als die angekündigten Eurofighter geräuschvoll, aber nicht sichtbar hinter der Nebeldecke hinwegfegten.

Eine Nebeldecke breitet sich auch über die Corona-Staatshilfen aus, denn weiterhin erfährt nichts und niemand in diesem Land, wofür die vielen Milliarden Steuergeld eigentlich ausgegeben werden und wer davon wie profitiert.

Profitiert hat sich für die abtrünnigen FPÖ-Gemeinderäte der Wechsel zuerst zu „Die Allianz für Österreich“, kurz DAÖ, und dann zum Team HC Strache kaum. Sie verpassten den Einzug in den Wiener Gemeinderat, stellen aber zumindest einige Bezirksräte. Außer Spesen (fast) nichts gewesen. Doch selbst diese Gruppierung löst sich weiter auf und schließt sich der in Vorarlberg gestarteten Freien Bürgerpartei Österreichs an, kurz FBÖ. Hierzu fällt mir eigentlich nichts mehr ein.

Einen Spontaneinfall hatte Sebastian Kurz mit den Kurz-fristig einberufenen Massentests im Spätherbst. Der Großteil der Bevölkerung konnte sich für den Gang zu den kostenlosen Tests nicht erwärmen – weil’s wahrscheinlich auch keinen Schnitzelgutschein gab. Stattdessen spazierten Herr, Frau und Divers Österreicher lieber durch die Einkaufsstraßen und retteten somit Weihnachten – damit heuer zumindest irgendwas noch gerettet wird.

Gleichzeitig mit der heruntergefahrenen Kultur in diesem Land ist auch die Fehlerkultur verschwunden – wobei, gab es die überhaupt?

Denn Menschen zählen seit Neuestem nicht zur rettenswerten Spezies. „Koste es, was es wolle“ meinte Finanzminister Blümel am Beginn der Corona-Pandemie zu den wirtschaftlichen Folgen. Nahezu 5000 Menschen kostete die Pandemie in Österreich das Leben, allein 4000 seit Ende Oktober. Eine Bundesregierung, die sich damit rechtfertigt, mit der Aussage „Jeder wird jemanden kennen, der an Corona verstorben ist“ recht gehabt zu haben, anstatt genau dies zu verhindern, ist eigentlich Grund genug, den Krampus täglich vorbeizuschicken und den Nikolaus in Quarantäne zu belassen.

Niemand macht außerdem in diesem Land Fehler und wenn doch, werden sie nicht zugegeben. Gleichzeitig mit der heruntergefahrenen Kultur in diesem Land ist auch die Fehlerkultur verschwunden – wobei, gab es die überhaupt? Politische Rücktritte standen nahezu an der Tagesordnung. Scherz, natürlich nicht! Warum ist Ulrike Lunacek im Mai eigentlich zurückgetreten? Hatte sie eine Umweltaktivistin als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet? Prallte jegliche offensichtliche Befangenheit als Vorsitzende des Ibiza-Untersuchungsausschusses an ihr ab? Hatte sie als Gesundheitslandesrätin von Tirol alles richtig gemacht? Oder hatte ihre Behörde die Hinweise zu einem Terrorattentäter in Wien nicht beachtet, der am 2. November vier Personen tötete, mehrere verletzte und unzählige Menschen traumatisierte? Ich weiß es nicht mehr, ist irgendwie schon zu lange her. Von Gesundheitsminister Anschober wissen wir zumindest, dass die nächsten Wochen entscheidend sein werden.

Im Kampf gegen die Klimakrise verstrich auch heuer wieder ein entscheidendes Jahr ohne Aktivitäten. Es gibt viele Lippenbekenntnisse, Absichtserklärungen, Zielsetzungen – die üblichen Neujahrsvorsätze. Ändern wird sich nur wenig und mit jedem Jahr, das nahezu tatenlos verstreicht, sind radikalere Klimaschutzmaßnahmen notwendig, um keine verbrannte Erde zu hinterlassen. Die Zeit wird knapp.

Ebenso knapp sind die Zeitabstände heuer zwischen den Regierungskonferenzen, die oft einfach eine weitere Pressekonferenz ankündigten. Im Dezember nahm die Intensität jedoch etwas ab, es zeigen sich erste Entzugserscheinungen bei Pressekonferenz-Junkies. Apropos Zug: Gegen Jahresende bemerkten wir immer mehr, dass das von Bundeskanzler Kurz angekündigte Licht am Ende des Tunnels nur ein entgegenkommender Zug war. Wir sitzen tief und fest in diesem Tunnel fest, aber können stolz behaupten, dass unser Tunnel viel länger ist als der anderer Länder. Meisterleistung einer exklusiven Ingenieurskunst, auch genannt Regierungskommunikation.

Das Licht am Ende des Tunnels könnte aber auch die Erleuchtung gewesen sein, die dank der am 8. Dezember abgehaltenen Gebetsstunde im Parlament auf die Erde niederging. „Herr, hilf uns die Not der Menschen zu erkennen.“ Ein Blick in die Flüchtlingslager auf Lesbos würde der angeblich christlich angehauchten ÖVP genügen, um Menschen in Not zu erkennen. Stattdessen schickten sie medienwirksam Transportflugzeuge mit Sachmitteln, die kaum genutzt werden, nach Griechenland und hoffen weiterhin, dass das zugehörige Blitzlichtgewitter die Ratten aus den Lagern verscheucht, damit die traumatisierten Kinder wieder ohne Rattenbisse im Schlamm Krieg spielen können. Das Leben in den Flüchtlingslagern der EU gleicht einem Glücksspiel – um Leben und Tod.

Mich zahlt Novomatic nicht!

Ein Glücksspiel veranstaltet auch die Grüne Partei mit ihrer Wählergunst. Die Grünen sind wohl heuer für das enorme Paketaufkommen bei der Post verantwortlich, indem sie sich ständig selbst aufgeben. Aber vielleicht kann sich die Regierung nicht an die Situation auf Lesbos erinnern? Es sind im Ibiza-Untersuchungsausschuss gesundheitlich sehr bedenklich große Erinnerungslücken junger Menschen zu Tage gefördert worden. So ist es auch voll verständlich, dass im Budget von Finanzminister Blümel sechs Nullen vergessen wurden, wenn er glaubt, nicht einmal einen Laptop gehabt zu haben. Dieser Ausschuss fundiert auf einem legendären Bewegtbild aus Ibiza. „Novomatic zahlt alle“, erzählte der ehemalige FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache frisch von der angestrengten Leber weg. Hier muss ich Strache entschieden widersprechen: Mich zahlt Novomatic nicht!

Entschieden widerspricht immer noch Donald Trump, der bald nicht mehr amtierende US-Präsident, dem Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen. Demokrat Joe Biden gewann die Wahl mit deutlichem Abstand, Donald Trump verabschiedet sich jedoch ohne Anstand und ohne Hauch von Menschlichkeit.

Bei Menschlichkeit denke ich an eine Partei, die dieses Wort in einem Wahlkampf plakatiert hatte. Aber mir fällt diese Partei nicht und nicht ein. Liegt vielleicht daran, dass diese kaum wahrgenommen wird, trotz ihrer Signalfarbe und obwohl Österreich seit Wochen rot bedeckt ist. Ah, das war‘s, die SPÖ meinte ich. Was macht die eigentlich gerade?

Stimmt, mit den NEOS in Wien koalieren. Christoph Wiederkehr schaffte die erstmalige Einkehr in die Wiener Landesregierung. Es bleibt abzuwarten, ob es ganz im Stile des Wintertourismus bei einem Einkehrschwung bleibt oder ob der Punschkrapfenrausch nachhaltig sein wird. Dies jedoch zu bewerten, dazu ist der zeitliche Abstand zur Regierungsbildung noch zu knapp.

Abstand, da war doch was… Der Babyelefant, das Maskottchen der Pandemie, sorgt seit März dafür, dass die Ein-Meter-Regel eingehalten wird und sich laut Karl „The Flex“ Nehammer keine Lebensgefährder zu nahe kommen.

Elefanten haben ein hochentwickeltes Sozialverhalten und suchen die Gemeinschaft, sie verkörpern Standfestigkeit und sind ein Symbol für Weisheit und Kraft. Blicken wir auf die gesetzten Taten der Entscheidungsträger*innen in diesem Jahr, würde ich mir mehr Elefanten in Führungspositionen wünschen. Diese könnten dann die heuer in Unmengen produzierten Bananen dieser Republik auffuttern, aus biologischem Anbau wohlgemerkt. Das Beste aus beiden Welten.

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