Umwelt- & Klimaschutz

„What do we want?“ – „Climate Justice!“

Fridays for Future ist eine der bedeutendsten Klimarettungsbewegungen unserer heutigen Zeit geworden. Wir haben mit Amina Guggenbichler, einer Schülerin aus Wien, über ihre Forderungen an die Politik, ihre Motivation und über Angst geredet.

Hallo Amina! Danke, dass du dir heute die Zeit genommen hast um mit uns zu sprechen. Könntest du dich kurz vorstellen?

Ich bin Amina. Ich bin 18 Jahre alt und Schülerin an einer BHS in Wien. Ich bin bei Fridays for Future aktiv und nehme hier regelmäßig an Streiks teil. Außerdem bin ich auch in  der Organisation sowie Planung aktiv.

Seit wann bist du bei Fridays for Future (FFF) aktiv?

Ende Februar 2019 war ich bei meinem ersten Streik und seit Mai bin ich in der Organisation aktiv.

Das ist meine Motivation. Nichts steht drüber, außer das Klima zu retten.

Und was hat dich dazu bewegt, bei Fridays for Future aktiv zu werden?

Der erste Streik hat mich davon überzeugt, wirklich zu verstehen, in welcher Krise wir uns befinden. Eigentlich war es die Angst, die mich dazu gebracht hat, bei Fridays for Future dabei zu sein, weil ich immer wieder von den Konsequenzen der Klimakrise gehört habe und es so unendlich schade ist, weil wir die wissenschaftlichen Fakten doch kennen und jetzt noch die Möglichkeit haben, etwas zu ändern. Mir ist es einfach so wichtig, jeden Tag dafür zu kämpfen und dafür aufzustehen. Das ist meine Motivation. Nichts steht drüber, außer das Klima zu retten.

Heute ist Freitag und du kommst ja gerade vom Klimastreik. Wie war der Streik heute?

Es war mega cool. Bei den Streiks bin ich immer wahnsinnig motiviert und ich liebe es, weil man da schreien kann. Es sammelt sich nun mal sehr viel Wut und Zorn an, wenn man sieht, dass immer noch nichts passiert oder dass Politiker*innen oder andere Akteur*innen nicht aufwachen und noch immer nicht handeln. Und das ist so schade, weil die Fakten alle da sind und wir sie haben. Diese Wut kann man beim Streik rauslassen und wir stehen dabei für etwas ein. Wir fordern etwas.

Kannst du uns hier noch erklären wer oder was Fridays for Future ist und wofür ihr euch einsetzt?

Es ist eine Streikbewegung, die von der Jugend ausgeht und sich für die Klimarettung und für Klimagerechtigkeit einsetzt. Klimarettung und nicht Klimaschutz – denn für den Schutz ist es leider schon zu spät. Viele sagen es ging von Schüler*innen aus – ich ziehe den Begriff „junge Leute oder Menschen“ vor weil, es mehr Menschen inkludiert. Und viele wissen in dem Zusammenhang vielleicht auch gar nicht, dass unsere Bewegung für jede*n und alle offen ist. Aber es ist wichtig, dass alle mitbekommen, dass sie alle mitmachen können.

Wie hat Fridays for Future begonnen und wie ist die Bewegung nach Österreich gekommen?

In Wien war es so, dass Fridays for Future tatsächlich von Studierenden initiiert wurde. Sie haben von der Klimakrise mitbekommen und kannten klarerweise auch Greta Thunberg und wussten von ihrem Streik, die ja den Stein ins Rollen gebracht hat. Dennoch sind wir eine Bewegung, die komplett unabhängig von Greta Thunberg ist, weil jeder einzelne Mensch die Bewegung darstellt und nicht nur eine Person alleine. Aber die Studierenden haben den Stein ins Rollen gebracht.

Was fordert ihr?

Wir fordern Klimaschutz in der Verfassung, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Außerdem setzen wir uns für Biodiversität ein, da auch hier etwas verändert werden muss. Wir setzen uns auch für eine ökosoziale Steuerreform ein und fordern den Stopp von Großprojekten. Das ist besonders wichtig, weil man hier noch sehr viel dagegen tun kann und vieles verändern kann. Beispielsweise wenn es um die dritte Piste geht, die gebaut werden soll. Die ist komplett unnötig.

Was würdest du den Menschen sagen wollen, die jedoch eine dritte Piste als nötig erachten, weil ja mittlerweile viel geflogen wird?

Ich würde sie bitten, dass sie wirklich nochmals darüber nachdenken und sich fragen, ob es tatsächlich notwendig ist, dass sie noch ein weiteres Mal irgendwohin fliegen. Es gibt doch so viele Möglichkeiten in der Umgebung Urlaub zu machen. Ist mir dieser Urlaub irgendwo anders es wirklich wert? Vor allem, wenn unser Planet darunter leidet?

  Könntest du da noch etwas näher darauf eingehen, wer bei euch Seite an Seite an den Streiks teilnimmt?

Es sind viele Schüler*innen, auch Student*innen. Teilweise aber auch Großeltern und Arbeiter*innen. Immer mehr Menschen interessieren sich für die Thematik und sind gewillt dafür streiken zu gehen. Heute haben sogar Volkschüler*innen teilgenommen. Die waren einfach super – sie haben so toll geredet. Es war so toll zu sehen, dass so viele junge Menschen so viel mehr Ahnung zu dem Thema haben, als beispielsweise erwachsene Entscheidungsträger*innen.

Freitagsstreik in Wien |

Die ersten quantitativen Datensätze zeigen, dass es tendenziell eher Frauen* und Mädchen* sind, die an den Streiks teilnehmen und sich für das Klima engagieren. Wie empfindest du das und was können deiner Meinung die Gründe dafür sein?

Ich spüre das auch. Tatsächlich haben wir auch in der Organisation einen größeren Frauen*anteil und wir haben das auch letztens erst analysiert. Langsam gleicht es sich aber an, vor allem, da die Thematik immer mehr bei der breiten Bevölkerung ankommt. Aber ich denke, dass Frauen* sich einfach schnell empowern können und schnell an einem Streik teilnehmen. Ich weiß es aber nicht genau.

Viele, die an den Streiks von Fridays for Future teilnehmen, sind noch Schüler*innen. In Österreich gilt die Schulpflicht und nicht alle Bundesländer stellen die Schüler*innen für die Streiks an den Freitagen frei. Wie geht ihr damit um?

Welche Konsequenzen könnten schon folgen? Es ist ein Streik. Wir interessieren uns hier für politische Themen, es geht letztendlich um unser Leben! Was bringt mir denn Bildung, wenn ich keine Zukunft habe und wenn es um meine Existenz geht? Ich denke nicht, dass Konsequenzen folgen können und sollten, weil wir uns hier für gesellschaftlich wichtige Themen einsetzen. Eine Fehlstunde hier und da wird sich auch nicht so sehr auf die Note auswirken, vor allem wenn du darauf achtest, dass du den Stoff immer nachholst. Da kann nichts passieren. Also ich denke, man kann die Streiks gut rechtfertigen.

Ich denke, dass die Streiks zur Schulzeit stattfinden sendet auch ein sehr starkes Signal nach außen. Fridays for Future ist eine der wichtigsten Protestbewegungen geworden. Was ist es sonst, dass euch so stark macht?

Die Energie und die Power, die so viele junge Menschen haben und auch dieses Kreative, das wir jungen Menschen mitbringen, merkt man sehr stark. Es ist unglaublich, welche Ideen bei uns entstehen können und ich bin oftmals sehr beeindruckt davon.

Und weshalb geht dieses Thema so stark von den Jugendlichen und weniger von Erwachsenen, welche sogar jetzt schon die Folgen der Klimakrise spüren, aus?

Das ist eine gute Frage. Eventuell weil Schulstreiks sehr effizient sind. Es ist auffällig und wir schaffen es dadurch Aufmerksamkeit zu bekommen. Nicht in die Schule zu gehen wird nun einmal streng bewertet. Aber genau das ist unser Werkzeug und wir streiken ja nicht umsonst. Wir wollen Aufmerksamkeit! Das ist uns wichtig! Was bringt uns Schule, wenn wir keine Zukunft haben?

Außerdem denke ich, dass junge Menschen sehr stark und sehr früh für das Thema sensibilisiert werden. Heute hat man auch einen anderen Informationsfluss; überall bekommt man von der Klimakrise mit. Und dadurch, dass junge Menschen so motiviert sind, machen wir einfach ohne groß darüber nachzudenken – vor allem, wenn etwas so wichtig ist. Das kann der Grund sein, warum es von der Jugend ausgeht.

Wir kämpfen für das Recht auf Leben. Denn die Klimakrise droht uns dieses Recht zu entziehen. Somit ist es auch eine Menschenrechtskrise.

Global gesehen, gibt es heute sehr viele (unterschiedliche) Protestbewegungen, die von Chile bis Hongkong reichen. Wie würdest du Fridays for Future hier einordnen? Siehst du Zusammenhänge oder Unterschiede?

Ich denke alle Protestbewegungen haben das gleiche Ziel: Alle kämpfen für eine bessere und lebenswertere Zukunft – vielleicht nur mit anderen Verhältnissen. Und auch wir kämpfen für eine lebenswerte Zukunft oder besser gesagt: Wir kämpfen für das Recht auf Leben. Denn die Klimakrise droht uns dieses Recht zu entziehen. Somit ist es auch eine Menschenrechtskrise. Diese gesellschaftlich-relevanten Themen sind es, die einen dazu bringen zu streiken oder zu protestieren.

Fridays for Future ist eine Grassroots-Bewegung (Graswurzelbewegung). Sprich ihr organisiert euch von „unten“. Wie kann man sich das vorstellen?

Lustig, dass du das fragst. Ich werde versuchen, es so einfach wie möglich zu erklären und werde mich nur darauf konzentrieren, wie es in Wien ist. Es ist so, dass wir im Schnitt zwischen 20 und 25 Arbeitskreise haben, was recht viel ist. Jeder Arbeitskreis ist für unterschiedliche Bereiche zuständig. Es gibt beispielsweise Teams für Social Media, Mobilisierung oder Grafik. Wir sind eine basisdemokratische Bewegung und damit es auch so bleibt, kann jede*r seine Stimme einbringen. Dann gibt es einmal die Woche ein Koordinator*innentreffen, wo der*die Koordinator*in seinen*ihren Arbeitskreis vertritt. Das sind eigentlich nur Repräsentant*innen und sind nicht höher gestellt als die anderen in der Bewegung. Außerdem gibt es regelmäßig Plenartreffen, wo alle teilnehmen können, die wollen. Hier werden die großen Entscheidungen getroffen. Entscheidungen werden meistens entweder im Konsens oder mit einer 4/5 Mehrheit getroffen. Das sind immer sehr intensive und anstrengende Tage, aber es ist immer toll sich auszutauschen. Wir sind auch international gut vernetzt und da ist es auch sehr schön zu sehen, wie es den anderen in der Bewegung ergeht.

In welcher der Arbeitsgruppen bist du?

Ich bin in der Schüler*innenmobilisierung, die Klimaheld*innen heißen, was viel besser klingt als „Mobilisierung“. Außerdem bin ich im Presse-Arbeitskreis und bin bei der Planung der Freitagsstreiks dabei. Ich liebe es zu animieren und zu mobilisieren. In der Future-Werkstatt bin ich auch involviert, da gestalten wir Banner, Schilder und Statuen. Das ist ein besonders toller Arbeitskreis. Die schlafen fast gar nicht und erstellen tolle Dinge für die Streiks.

Du schreist doch gerne Slogans oder? Hast du einen Lieblingsslogan?

Ich schreie sehr gerne Slogans! Ganz oft schreie ich: „What do we want?“ Und es antworten alle: „Climate justice!“. Was ich auch noch sehr gerne schreie, weil es so wahnsinnig viel Power und Energie gibt ist: „Are we gonna fight for it?“ Und da kommt die Antwort:“Yeah“. Daraufhin frage ich: „Are we going to get it?“ Und da bekomme ich ein: „YEAH!“ zurück. Das ist so großartig, weil wir immer optimistisch bleiben müssen.

Stichwort climate justice, beziehungsweise Klimagerechtigkeit: Was bedeutet Klimagerechtigkeit für dich?

Für mich bedeutet Klimagerechtigkeit, dass wir allen global eine lebenswerte Zukunft ermöglichen und dass wir unter Bedingungen leben können, die ertragbar sind. Es soll nicht zu einem Punkt kommen, wo wir alle vielleicht zwar leben, aber unter Bedingungen die nicht mehr menschlich sind. Klimagerechtigkeit ist für mich, dass wir aus einer Krise kommend, alle Menschen unter fairen und gerechten Bedingungen leben können und keine*r aufgrund des Klimas eingeschränkt ist.

Der vierte globale Klimastreik steht an, ebenso wie die COP25 (Conference of the Parties). Was sind eure Wünsche und Forderungen?

Generell möchten wir, dass Entscheidungsträger*innen handeln. Sie sollen aufhören zu reden und endlich Initiative ergreifen. Wir haben alle Fakten und Maßnahmen, die wir brauchen. Wir wissen was möglich ist. Wir müssen anfangen, nach denen zu handeln. Wir wissen, dass es ambitioniert ist, aber es bleibt uns keine andere Wahl mehr. Die schon beschlossenen Ziele und Maßnahmen sollen international umgesetzt und eingehalten werden.

Angst kann die notwendige Motivation bringen, etwas zu ändern, weil man dieser Angst ja entkommen möchte.

Greta Thunberg hat uns mehr oder weniger dazu aufgefordert in Panik zu geraten. Hast du das Gefühl, dass die Entscheidungsträger*innen diese Panik spüren?

Nein. Ich glaube nicht, dass sie in Panik geraten sind. Aber ich würde eher von Angst reden und nicht von Panik. Panik führt zu unüberlegten Entscheidungen. Angst kann die notwendige Motivation bringen, etwas zu ändern, weil man dieser Angst ja entkommen möchte. Ich denke aber auch, dass selbst das noch bei vielen Menschen nicht angekommen ist. Es muss viel stärker nach außen getragen werden, dass wir uns in einer Krise befinden – auch, wenn wir das Glück in Österreich haben, dass die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise uns noch eher verschonen als es in manch anderen Ländern der Fall ist.

Ist es politischer Unwille oder doch Ignoranz, die uns daran hindert, konkrete Schritte zu setzen?

Veränderung ist immer ein Prozess. Wir fordern Dinge, die sehr ambitioniert sind und man muss viel Energie und Kraft investieren. Das ist die Hürde, die überwunden werden muss, damit wir sagen können: „Ja, ich mach das jetzt, weil unsere Zukunft davon abhängt!“

Was war dein persönliches Highlight seitdem du bei Fridays for Future aktiv dabei bist?

Mein persönliches Highlight war der 20. September 2019. Das war der Auftakt der Week for Future und es wurde an ganz vielen Orten Österreichs gleichzeitig gestreikt. Es war das erste Mal, dass ich bei etwas so Großem mitgeholfen habe und etwas in dieser Größenordnung mitorganisiert habe. Es war so cool, die Früchte unserer Arbeit an diesem Tag sehen zu können, weil wir so viel Arbeit und Zeit investiert haben. Es war unfassbar schön, das Ergebnis zu sehen.

Ich weiß nicht ob du das weißt, aber ihr hattet für die Week for Future ein Crowdfunding-Projekt bei Respekt.net angelegt und auch wir im Büro waren besonders erfreut darüber zu sehen, wie überaus erfolgreich das Projekt war. Das Projekt hat in kürzester Zeit das erwünschte Budget erreicht. Man kann also sagen, dass das Projekt wirklich eingeschlagen hat.

Wie cool! Das ist so wichtig. Es ist besonders ermutigend zu wissen, dass wir unterstützt werden.

Bitte geht zu den Streiks, erhebt eure Stimme und setzt euch für Dinge ein, die wichtig sind!

Eine der Forderungen war auch, dass Wien und Österreich den Klimanotstand ausrufen. Das ist ja jetzt geschehen. Was passiert jetzt?

Ja, das ist jetzt die Frage. Es ist an der Zeit, dass die Politiker*innen diesen Klimanotstand auch ernst nehmen und sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Wir brauchen Entscheidungen, die sich ausschließlich positiv aufs Klima auswirken. Nur so können wir eine Veränderung bewirken. Was aber als nächstes geschieht steht noch offen. Wir haben aber angenommen, dass wir weiterstreiken werden und müssen. Wir werden uns weiterhin Strategien überlegen, damit wir Entscheidungsträger*innen zum Handeln bewegen können.

Und sie tun nicht genug?

Nein. Die Politik schläft immer noch.

Hast du noch einen letzten Appell an unsere Leser*innen?

Ja! Bitte kommt zum vierten weltweiten Klimastreik am 29.November. Damit können wir zeigen, wie wichtig uns die Rettung des Klimas und unserer Zukunft ist. Und ganz generell: Bitte geht zu den Streiks, erhebt eure Stimme und setzt euch für Dinge ein, die wichtig sind! Es lohnt sich, sich für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen. Schließlich leben wir ja alle auf diesem einen Planeten.

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