Demokratie & Bürgerrechte

Wie sich Journalist*innen wehren (können)

Vorfälle, die als Angriffe auf die Pressefreiheit gewertet werden können, gibt es in Österreich bereits seit Jahrzehnten. Vor allem (versuchte) politische Einflussnahme war in Österreich historisch gesehen (stets) Thema. Aber auch öffentliche Angriffe auf missliebige Journalist*innen haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Eine neue “Qualität“ haben die Angriffe auf die Pressefreiheit allerdings durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ ab 2017 erhalten, weil auch hierzulande bekannten, unabhängigen Journalist*innen offen gedroht wurde. Die Causa Armin Wolf vs. den FPÖ-Spitzenkandidaten zur EU-Wahl Harald Vilimsky ist vielen sicher im Gedächtnis geblieben.

Bisher haben aber österreichische Journalist*innen – wenn nötig – stets kreative Wege gefunden, um sich aktiv gegen gezielte Angriffe und/oder politische Einflussnahme zu wehren. Besonders „umkämpft“ ist in Österreich der öffentliche Rundfunksender ORF – aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und seiner aufrechten Reichweitenstärke.

Das Rundfunkvolksbegehren

Nachdem Posten im ORF Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts parteipolitisch motiviert und nach Proporz-System vergeben wurden und dieses System noch auf Doppelbesetzungen ausgeweitet werden sollte, ergriff 1963 die parteiunabhängige Presse die Initiative. Hugo Portisch, damaliger Chefredakteur des Kurier, hatte im Rahmen seiner Studienreisen in die USA die Prinzipien einer politisch unabhängigen Presse kennengelernt. Für ihn stellten die Pläne der Regierung, jede leitende Funktion in Hörfunk und Fernsehen doppelt (und parteipolitisch motiviert) zu besetzen einen direkten Anschlag auf die Meinungsfreiheit dar.

Im März 1963 initiierte Portisch daher eine Unterschriftenaktion, die unter anderen auch vom Kurier unterstützt wurde. Unter der Schlagzeile „Gegen das Rundfunk-Diktat!“ rief die Tageszeitung zur Unterstützung der Aktion auf. Diese Unterschriftenaktion traf damals einen gesellschaftlichen Nerv, und so fanden sich weit über 350.000 Unterstützer*innen.

Ein extra eingerichteter Beratungsausschuss, der eine Rundfunkreform erarbeiten sollte, blieb ergebnislos. Daraufhin schlossen sich der Kurier, die Kleine Zeitung, die Wochenpresse und 49 andere österreichische Zeitungen und Zeitschriften zu einem „Aktionskomitee“ zusammen und leiteten ein Volksbegehren ein. Das somit erste Volksbegehren der Zweiten Republik wurde schlussendlich von 832.353 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichnet und bleibt damit bis heute eines der erfolgreichsten Volksbegehren der Geschichte.

Hugo Portisch erinnerte sich anlässlich des 50. Jahrestages des Volksbegehrens an den „durchschlagenden“ Erfolg dieser mutigen Initiative:

„Wir konnten den Rundfunk 'über Nacht' in ein völlig neues demokratisches Instrument umwandeln.“

Das Protest-Video der ORF-Jounalist*innen

Allerdings war die Demokratisierung des ORF kein Garant gegen parteipolitische Begehrlichkeiten. Einen Tag vor Weihnachten 2011 gab die ORF- Geschäftsführung die Besetzung einiger Dienstposten bekannt, die verdächtig nach Absprachen für die Wiederwahl von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz aussahen. So sollte unter anderem für den SPÖ-nahen Stiftungsrat Nikolaus Pelinka der neue Posten des Büroleiters des Generaldirektors geschaffen und über Umwege der ÖVP-nahe Hannes Aigelsreiter Radiochefredakteur werden.

Die Redakteur*innen des Aktuellen Dienstes in der ORF-Fernsehinformation setzten sich in Folge kreativ gegen diese politisch motivierten Postenbesetzungen zur Wehr, nämlich per YouTube-Video.

In dem Video erklärten die Journalist*innen, dass sie für einen unabhängigen ORF stünden und sich ausschließlich journalistischer Ethik und dem ORF-Publikum verpflichtet fühlten. Sie kritisierten die Vorgehensweise des Generaldirektors als unternehmensschädigend. Während dringend benötigte Dienstposten in den Redaktionen eingespart würden, könnten politische Absprachen erfüllt werden. Sie forderten vom Gesetzgeber Maßnahmen, die einen unabhängigen ORF garantieren. Dazu zählten sie u.a. ein völlig neues Aufsichtsgremium und ein neues Redakteursstatut. Die Redakteur*innen kündigten an, ihren Protest fortzusetzen, denn: 

Per Video setzten sich namhafte Journalist*innen gegen politische Einflussnahme zur Wehr |

„Der ORF gehört den Österreicherinnen und Österreichern, nicht den Parteien.“

Das Video erzielte erhebliches Medienecho und erhielt neben dem Concordia-Preis für Pressefreiheit auch den Deutschen Webvideopreis 2012. Außerdem zog Nikolaus Pelinka seine Bewerbung zurück.

Diffamierung am Beispiel Wolfgang Wagner

Die zweite große Kategorie von Angriffen auf die Pressefreiheit, mit der sich österreichische Journalistinnen und Journalisten oft konfrontiert sehen, sind öffentliche Beleidigungen und Diffamierungen ihrer Arbeit.

Report-Chef Wolfgang Wagner reichte im Frühjahr 2019 Klage nach dem Mediengesetz wegen übler Nachrede gegen den FPÖ-Parlamentsklub ein. In einer offiziellen Aussendung hatte FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein dem Journalisten „Gesinnungsjournalismus“, Penetranz und die Abarbeitung einer persönlichen Agenda vorgeworfen. Jenewein zog Parallelen vom Report-Beitrag, der ein Interview mit dem österreichischen Bundespräsidenten im Zuge dessen Israel-Besuchs umfasste, zu einer DDR-Nachrichtensendung. Jeneweins OTS gipfelte darin, Wagner als fähigen Sendungsverantwortlichen in Frage zu stellen.

Als Chef der Nachrichtensendung „Report“ sah Wagner sich in einer Position, in der er sich im Interesse seiner Mitarbeiter*innen gegen Diffamierungen zur Wehr setzen musste. Rückendeckung bekam Wagner aber auch vom ORF-Generaldirektor, der zur Causa twitterte:

„In allen europäischen Demokratien (außer Ungarn) entscheiden Journalisten, was sie fragen, und nicht Mediensprecher von Regierungsparteien! Das muss so bleiben, auch bei neuem Gesetz! Gegen Diffamierung von Journalisten werden wir uns wehren!“

Auch der Redakteursrat des ORF hatte sich in der Causa zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief unterstützte der Redakteursrat den Journalisten und kritisiert die Praxis Jeneweins, kritische, unabhängige Journalist*innen zu diffamieren, scharf:

„Wolfgang Wagner ist ein anerkannter Journalist, der Unabhängigkeit in jede politische Richtung hochhält und seine Objektivität und Seriosität seit vielen Jahren mit seiner Arbeit beweist. Selbstverständlich ist Kritik an ORF-Sendungen erlaubt, aber ein Verteilen von persönlichen Zensuren für missliebige Journalistinnen und Journalisten durch Parteien oder Politiker ist entbehrlich. Es ist sogar höchst bedenklich in einer entwickelten Demokratie. Vor allem, wenn es um persönliche Angriffe und der Aufforderung nach Kündigung von unliebsamen Journalistinnen und Journalisten geht.“

Was die FPÖ an der eingebrachten Klage aber vermutlich am meisten traf war, dass sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien, dazu verurteilt wurde, zu veröffentlichen, dass aufgrund der tendenziösen Aussendung ein Verfahren nach dem Mediengesetz gegen sie anhängig war.

Cybermobbing am Beispiel Colette Schmid

Im Jänner 2018 rief der Ring Freiheitlicher Jugend Steiermark auf Facebook zum Cybermobbing gegen die Standard-Journalistin Colette Schmid auf und veröffentlichte ihre Kontaktdaten mit folgendem Text:

„Das ist Colette. Colette schreibt für den Standard und stellt gerne FPÖ-ler an den Pranger. Falls ihr Colette etwas zu sagen habt, dann bitte unter: Mailadresse, Facebook-Profil, Twitter-handle“

Vorangegangen war diesem besorgniserregenden Aufruf ein Artikel der Journalistin über „Korporierte in den Kabinetten“, mit dem sie ins Fadenkreuz der FPÖ-Jugendorganisation gerückt war. Der Standard ließ daraufhin den Urhebern des Postings einen Brief vom Anwalt zukommen. Colette Schmid selbst überlegte ebenfalls weitere rechtliche Schritte und meinte auch gegenüber dem Kurier, dass eine Klage die beste Waffe gegen Angriffe und Diffamierung sei:

„Ich kann das auch nur allen Kolleginnen und Kollegen raten: Klagen Sie aktiv, wenn Ihr Ruf in Mitleidenschaft gezogen wird."

Erfolgreiche (Verteidigungs)Strategien

Österreichische Journalist*innen haben sich in der Vergangenheit erfolgreich kreativ gegen Angriffe auf die Pressefreiheit zur Wehr gesetzt. Sie konnten dabei rückblickend auf eine „interessierte Öffentlichkeit“ und die Zivilgesellschaft zählen.

Nachdem Österreich im internationalen Vergleich ein „kleiner Markt“ ist, sind eine Anchorwoman oder ein Anchorman, eine Chefredakteurin oder ein Chefredakteur gemeinhin „bekannt“. Pöbeleien oder aktive Angriffe durch Politiker*innen auf diese Personen fallen daher schnell auf und der Großteil der informierten Öffentlichkeit solidarisierte sich bisher stets zeitnah mit Journalist*innen, die einfach einen guten Job machen wollen – ohne Rücksicht auf politische Einflussnahmen und Komfortzonen.

Dort, wo strafrechtlich relevante Äußerungen schlagend wurden, konnten und können sich österreichische Journalist*innen noch auf die unabhängige Justiz und das geltende Recht verlassen. Darüber hinaus gab und gibt es aktive Unterstützung von Presseclubs, Kolleg*innen bei anderen Funk-, Print- und Onlinemedien sowie (vermutlich auch) von gewerkschaftlicher Seite. Die erfolgversprechendsten Strategien, die ich im Rahmen meiner Recherche gegen Angriffe auf die Pressefreiheit identifizieren konnte, sind:

  • Angriffe öffentlich machen!
  • Medienrechtliche Bestimmungen nutzen!
  • Verbündete finden!
  • Sich nichts gefallen lassen! 😊

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