Respekt & Vielfalt

Das Anti-Korruptionsvolksbegehren sinnvoll erweitern

Forderungen aus der Zivilgesellschaft für eine starke Infrastruktur der Demokratie

Respekt.net begrüßt die Initiative der ProponentInnen des Antikorruptions-Volksbegehrens und schließt sich den erhobenen 77 Forderungen an. Wir sind stolz darauf, das Crowdfunding für das Volksbegehren zu hosten.

Wir meinen aber, dass die „Infrastruktur der Demokratie“ (Jan-Werner Müller) in Österreich nicht gut entwickelt ist und dass es, um demokratische Standards zu sichern und weiterzuentwickeln, einer bedeutenden Investition in diese Infrastruktur bedarf. Dies ist nicht nur, aber auch, materiell zu verstehen.

Bereits 2019 haben wir im Wahlkampf ein „Kontrollpaket der Zivilgesellschaft“ vorgelegt, das unserer Meinung nach unverzichtbare Grundsätze demokratischen Staatshandelns dargelegt hat und den damals wahlwerbenden Parteien vorgelegt wurde. In einer Pressekonferenz im Juni 2019 haben wir das Paket vorgestellt und bei einer Podiumsdiskussion am 2.9.2019 die Positionen aller wahlwerbenden Parteien (mit Ausnahme der ÖVP, die es vorgezogen hatte, an der Diskussion nicht teilzunehmen) dazu eingeholt.

Wir knüpfen daran an, wenn wir – unterstützend und erweiternd zum Volksbegehren – ideelle, personelle, materielle Investitionen in die Infrastruktur der Demokratie fordern.

Unsere Forderungen

 

1. Das Parlament

Die Kontrollfähigkeit des Parlaments, der Landtage und der einzelnen Abgeordneten muss gestärkt werden. Dies bezieht sich auf die Verwaltung ebenso, wie auf Gesetzgebungsvorhaben. Das Parlament und die Landtage haben über ausreichende Ressourcen zu verfügen, um das „Know How“ von Lobbyisten kritisch zu hinterfragen:

  • Einrichtung einer Recherche- und wissenschaftlichen Infrastruktur im Parlament, die allen ParlamentarierInnen zur Verfügung steht.
  • Jedem Mitglied des Nationalrates sind darüber hinaus wissenschaftliche Mitarbeiter zur Seite zu stellen, die die Arbeit der Abgeordneten in den parlamentarischen Ausschüssen unterstützen.
  • Das Parlament braucht effektive Möglichkeiten, die Exekutive zu kontrollieren: unrichtige oder unterlassene Information des Parlaments bzw. der Landtage ist zu sanktionieren. Diese Sanktionen dürfen nicht von der Zustimmung der Mehrheit in Parlament und Landtagen abhängen.
  • Remuneration von Mitgliedern des Parlaments, der Landtage sowie der Bundes- und Landesregierungen, die den Einkommen im Privatsektor vergleichbar ist. Eine materiell motivierte Gesellschaft soll auch materielle Anreize für die Gestaltung und Verwaltung der Res Publica geben. Sie kann damit einfach und wirkungsvoll Korruptionsanreize minimieren, die z.B. durch Nebeneinkünfte entstehen. Nebeneinkünfte sind strikt zu minimieren.

 

2. Die Parteien

Die Finanzierung der politischen Parteien in Österreich muss transparent, für die BürgerInnen nachvollziehbar und öffentlich einsehbar gestaltet werden.

Tatsächliche Cool Off Perioden:
Mitgliedern der Bundes- und der Landesregierungen ist für mindestens drei Jahre jede – direkte und indirekte — privatwirtschaftliche Tätigkeit untersagt, die jene Regierungen (bzw. Mittelvergaben durch jene Regierungen) adressiert, denen das vormalige Mitglied angehörte.

3. Die Exekutive

Exekutive und Justiz sollen zur rascheren und effizienteren Durchsetzung des öffentlichen Interesses Knowhow aus dem privaten Sektor nutzen können. Diese Forderung bezieht sich auf Bereiche, in denen der Privatsektor über Ressourcen verfügt, die der öffentlichen Hand – temporär – nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Grundsätzlich sollte die öffentliche Hand ausreichend für In-Sourcing ausgestattet sein, die geforderten Out-Sourcing Lösungen sollen nur interimistische Effizienzsteigerungen ermöglichen.

Für die beauftragten Unternehmen gelten besondere Compliance Regeln – die in Rahmenverträgen festgelegt werden. Ab deren Beendigung ist für eine Periode von drei Jahren eine Vertretungs- bzw. Beratungstätigkeit in Verfahren vor den jeweiligen vormaligen Auftraggebern untersagt. Exekutive und Justiz müssen hierzu ein entsprechendes Besteller-Knowhow entwickeln.

Informationsfreiheit und Transparenz: wir wiederholen und schließen uns den Forderungen des „Forum Informationsfreiheit“ an und fordern den raschen Beschluss eines starken, internationalen Standards entsprechenden Informationsfreiheitsgesetzes, das einen raschen und bürgerfreundlichen Zugang zu staatlicher Information und damit echte öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen sicherstellt.

4. Die Medien

Die Presseförderung muss neu geregelt werden und den extremen Bias zugunsten der Boulevard-Medien durch besondere Förderung von Public Value Medien beenden.

5. Die Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft genießt keine strukturelle Anerkennung in Österreich. Sie muss mit einer regelhaften Partizipationsmöglichkeit ausgestattet werden. BürgerInnenräte müssen in einem einfachen und realistischen Verfahren stattfinden können und ihre Ergebnisse öffentlich und beratend in die Gesetzgebung von Bund und Ländern einfließen können. Die Kosten hierfür sind vom Staat zu garantieren.

Die Zivilgesellschaft muss auch für andere Aktivitäten mit Ressourcen ausgestattet werden, die eine sinnvolle Einbindung in gesetzgeberische Prozesse ermöglicht. BürgerInnen müssen institutionelle Verankerungen für ihre Gemeinwohlarbeit zur Verfügung haben und auf materielle Ressourcen zurückgreifen können.

6. StaatsbürgerInnen

Teilhabe am Staat, am republikanischen Leben ist im Interesse der „demokratischen Infrastruktur“. Die Erlangung der Staatsbürgerschaft als Vorbedingung echter Partizipation muss daher erleichtert werden.

Die strukturelle Alltagskorruption in Österreich muss adressiert werden. Die Kultur der „Freunderlwirtschaft“ müssen wir alle als Problem identifizieren und uns dagegen wenden. Gefälligkeiten aufgrund von Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnissen sind zu verurteilen – eine korruptionsfeindliche Grundhaltung einer Gesellschaft ist auch die Sache jeder Bürgerin und jedes Bürgers.

„Infrastruktur der Demokratie“

Deliberation, Beratung, Anerkennung sowie die Betonung des öffentlichen Interesses sind die Leitlinien dieser Forderungen. Auf allen Ebenen braucht es mehr davon, wenn wir die „Infrastruktur der Demokratie“ zeitgemäß weiterentwickeln wollen. Und das müssen wir.

Demokratiepolitische Projekte von Respekt.net

Zukunftsrat Demokratie
Seit Anfang 2020 arbeitet Respekt.net gemeinsam mit den anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen
mehr demokratie! und IG Demokratie am Prozessdesign und an der Umsetzung des ersten
österreichweiten BürgerInnenrates. Dieser tagte am 18. und 19. September 2021 in Salzburg und
brachte Antworten, wie BürgerInnen aus ihrer persönlichen Sicht besser am republikanischen Leben
beteiligt werden können.

Starke Abgeordnete
Demokratie benötigt klare Regeln und Strukturen, und auch ein hohes Maß an Sorgfalt und
Verantwortung, um effektiv zu funktionieren. Die gesetzlichen Regelungen in Österreich leiden nicht
nur an Überregulierung und an „politischen Schnellschüssen“, sie sind auch teilweise unübersichtlich,
häufig nur schwer verständlich und praktisch oft kaum bzw. schwer umsetzbar. Einer der Gründe
hierfür liegt dort, wo die Gesetze beschlossen werden: in unserem Parlament. Es gibt zu wenig Zeit
und mangelnde legistische und personelle Ressourcen für das Parlament, und zu wenig fundierte
Diskussionen. Die Initiative starkeAbgeordnete.at fordert genügend Mittel für Parlamentarierinnen
und Parlamentarier, um eine gute Gesetzgebung zu ermöglichen und hat internationale Best Practice
Beispiele gesammelt.

Kontrollpaket der Zivilgesellschaft
Eine funktionierende Demokratie braucht Kontrolle. Die Zivilgesellschaft fordert nun mehr
Transparenz, Gesetze zur Informationsfreiheit und Parteienfinanzierung. Anlässlich dieser
Entwicklungen hat der Verein Respekt.net einen Forderungskatalog für ausgewogene
Machtverhältnisse an die Politik ausgearbeitet.

Meine Abgeordneten
Die Plattform Meine Abgeordneten ist eine private Initiative, die 2011 von Respekt.net gegründet und
seit 2017 gemeinsam mit WOTI World of Tomorrow Institute (vormals Act.Now) betrieben wird.
Die operative Betreuung liegt bei MediaClan.
Meine Abgeordneten ist politisch strikt unabhängig und ausschließlich der Schaffung von politischer
Transparenz verpflichtet. Auf der Plattfrom finden NutzerInnen alle Infos über Abgeordnete und
andere SpitzenpolitikerInnen mit ihren Funktionen in Vereinen und Firmen, ihren Nebeneinkünften,
Lebensläufen, Kontaktinfos u.v.A.m. – inklusive nachvollziehbarer Quellenangaben!

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