Respekt & Vielfalt

WOHLFÜHLTAGE für obdachlose Mitmenschen

Der Verein MUT – Mensch Umwelt Tier – hilft seit 15 Jahren schnell, unbürokratisch und nachhaltig. Sämtliche Vereinsaktivitäten sollen Menschen und der Umwelt helfen und dies auf möglichst vielschichtige Weise. Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist dabei die Obdachlosenhilfe, wo das Projekt der „Wohlfühltage für obdachlose Mitmenschen“ entstanden ist. Wir haben mit Alexander Maier, dem Bereichsleiter des open space und Projektmastermind von MUT über das zweiplatzierte Projekt der „Orte des Respekts 2020“, die Philosophie des Vereins und das Leben an und für sich geplaudert.

Wir gratulieren ganz herzlich und freuen uns sehr, dass „Wohlfühltage für obdachlose Mitmenschen“ ein Ort des Respekts 2020 sind – und bundesweit sogar den zweiten Platz belegt haben! Kannst Du uns zu Beginn deshalb das Projekt kurz vorstellen?

Für uns war es eine totale super, mega-tolle Überraschung! Es hat uns alle irrsinnig gefreut. Bei der Fülle von wirklich guten und leiwanden Projekten zählte für uns eigentlich der olympische Gedanke – Wir haben gar nicht mit dieser Auszeichnung gerechnet und freuen uns deshalb umso mehr!

Worum es nun bei den Wohlfühltagen geht… , wir haben im Laufe der Zeit gemerkt, dass es neben der materiellen Hilfe für obdachlose Menschen, die andere Organisationen auch anbieten, auch „Seelenarbeit“ braucht. Denn abgesehen davon, dass diese Menschen Geld brauchen, ein Obdach brauchen, warme Kleidung und Schuhe brauchen, haben sie meist auch das Gefühl, von der Gesellschaft weder gesehen noch wahrgenommen zu werden. Sie stehen auf der Mariahilfer Straße, tausende Menschen gehen einfach vorbei und sie fühlen sich im Prinzip wie Geister.

Das war unser Ausgangspunkt für die Wohlfühltage – wir möchten für obdachlose Menschen einen Tag schaffen, wo es um Begegnungen auf Augenhöhe zwischen obdachlosen und nicht-obdachlosen Menschen geht. Wo wir ihnen schon eine Freude bereiten, ihnen aber nichts Materielles schenken wollen – sondern Balsam für die Seele ermöglichen.

Die Wohlfühltage gibt es auch exklusiv für Frauen - dann helfen auch Stylist*innen mit ihrem Können |

Die Wohlfühltage funktionieren nun so: Es kommt ein befreundetes Friseurteam – eigentlich sind es sogar zwei, die das ehrenamtlich mitmachen – nämlich Marcello’s Schnittstelle und die GmbHaar. Die kommen zu uns ins Vereinszentrum und da werden Haare geschnitten, auf Wunsch auch gefärbt, Bärte getrimmt, und so weiter. Außerdem ist noch eine Freundin da, die Massagen anbietet und so für Entspannung der Teilnehmer*innen sorgt.

Die Wohlfühltage finden immer in der schönen Jahreszeit statt, damit wir auch unsere Outdoor-Küche nutzen können. Dort kochen wir gemeinsam – mit geretteten Lebensmitteln, und essen auch gemeinsam. So ist Zeit damit die Haare trockenen und Farben einziehen können. Es gibt also ein Miteinander und eine Vermischung im positiven Sinn – und ich lade auch immer wieder neue Freund*innen zu diesen Wohlfühltagen ein.

Denn – und das ist sehr wichtig – diese Obdachlosen sind nicht unsere Klient*innen, das sind keine Menschen, die wir als Verein MUT betreuen. Sondern, wir kooperieren mit Tageszentren. Mit Tageszentren arbeiten wir auch in anderen Bereichen zusammen: Wir bringen zweimal in der Woche Lebensmittel und Hygienetaschen vorbei. Wenn wir Wohlfühltage veranstalten, geben wir immer einem Tageszentrum Bescheid, und die Besucher*innen können sich dann dort für diesen Tag anmelden. Das ist wichtig, dass bei den Wohlfühltagen keine Klienten-Betreuer Situation stattfindet, sondern dass die Tage auf persönlicher Ebene stattfinden.

Sich in geschütztem Rahmen auch mal entspannen zu können, ist ein weiterer zentraler Faktor des Projektes |

Ihr bietet bei den Wohlfühltagen Frisuren, Massage und sogar Styling an – wie kommt ihr zu den Personen, die Teilnehmer*innen an den Wohlfühltagen stylen und verwöhnen?

Das sind alles Freundinnen und Freunde! 🙂 
Die Friseurteams und Masseure machen die Wohlfühltage ehrenamtlich. Es sind alle mit Herz und Seele dabei.

Wie oft veranstaltet MUT in einem normalen Jahr Wohlfühltage?

Im Winter eigentlich gar nicht – wir konzentrieren uns auf die Zeit von Mai bis Ende September, Pi mal Daumen sind das vier bis fünf Mal im Jahr. Wobei: Nicht jeder Wohlfühltag ist erfolgreich. Trotz vielfältiger Angebote ist es auch schon vorgekommen, dass überhaupt niemand gekommen ist.

Beim allerersten Mal war das so eine Situation. Alles war da, Essen, Friseurteam – aber niemand zum Verwöhnen, obwohl eigentlich sieben Personen angemeldet waren. Das hat uns gezwungen uns hinzusetzen und zu reflektierten. Denn wir als nicht-Obdachlose leben in einer ganz anderen Realität als Obdachlose.

Es ist ähnlich, wie wenn man als Europäer*in auf einen anderen Kontinent kommt und mit einem anderen Erleben und einer anderen Historie versucht, den Leuten dort Vorschriften zu machen. Das ist vergleichbar, denn auch Obdachlose haben ganz andere Sorgen. Vielleicht hat er*sie um 8 Uhr Früh noch vor, zum Wohlfühltag zu gehen. Aber am Weg zum Tageszentrum trifft er*sie zwei Haberer und die lenken ihn*sie womöglich ab und plötzlich steht etwas ganz anderes am Programm. Obdachlose haben ein stressiges Tagesleben, weil täglich jede Menge organisiert werden muss: Essen, ein Schlafplatz, Geld. Wenn man noch dazu suchtkrank ist, bestimmt das ganz oft den kompletten Alltag.

Dass alles vorbereitet ist und dann weniger Leute kommen, als geplant, muss man so annehmen. Damit muss man leben und sich einfach im Klaren darüber sein, dass man in einer anderen Realität lebt und andere Prioritäten hat. Man darf die Menschen nicht verurteilen – was ich anfangs ehrlich gesagt auch gemacht habe.

Alex, wie ist eigentlich die Idee für die Wohlfühltage für obdachlose Mitmenschen entstanden? Gibt es da einen Anlassfall?

Wir fahren ja ab Mitte Oktober bis Mitte April einmal in der Woche raus und bringen Sachspenden, wie Schlafsäcke und Hygienetaschen, direkt zu obdachlosen Menschen. Das war ursprünglich eine Sache, die ich privat gemacht habe. Bei diesen Ausfahrten habe ich in Gesprächen gemerkt, dass es nicht nur um das Materielle geht. Ich habe ja bei den Ausfahrten auch immer den Aaron – meinen Hund – mit.  Und da habe ich gemerkt, wie froh die Menschen sind, ihn einfach mal zu umarmen und zu kuscheln. Und – was man oft nicht bedenkt – Friseurbesuch und Massage haben auch mit intensiven Körperberührungen zu tun. Das ist eine ganz wichtige Komponente – Obdachlose haben kaum Körperberührungen – die auch gut tun. Wir kennen das alle vom Friseur, wenn die Haare gewaschen und der Kopf massiert werden – das ist einfach angenehm. Dieses Gefühl wollen wir auch obdachlosen Menschen geben. Dafür ist Entspannung eine wesentliche Komponente. Wir wissen, dass sich Stress im Körper als Verspannung festsetzt. Wir können uns jemanden dafür holen, der uns massiert – das können Obdachlose nicht. Dieses Entspannen und sich fallen lassen in einer sicheren Umgebung, ist eine ganz, ganz wichtige Sache – und das braucht einfach jeder Mensch!

Ihr seid der Verein MUT – Mensch. Umwelt. Tier – bei den Wohfühltagen steht ganz klar der Mensch im Mittelpunkt. Wo kommen denn Umwelt und Tier unter?

Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Anfragen bekommen, Menschen in Not zu helfen. Daher haben wir als Verein festgelegt, uns in den nächsten Jahren auf Hilfe für notleidende Menschen zu fokussieren. Aber über die Lebensmittel-Rettung haben wir ganz klar auch die Umwelt im Fokus unserer Tätigkeiten.

Ein Teil des Vereinsteams mit Kuschelhund Aaaron |

Uns ist es wichtig, alle Themen, die wir angreifen einerseits umzusetzen und auch darüber zu informieren. Gerade bei der Lebensmittelrettung investieren wir ganz intensiv in Bewusstseinsbildung und Workshops an Schulen. Wir haben im Schnitt zehn Schul-Workshops im Jahr, bei denen wir Kinder über das nachhaltige Potential von Lebensmittelrettung informieren. Außerdem setzen wir gerade Klima-Workshops auf, mit denen wir auch in Bildungseinrichtungen gehen wollen. Wir nehmen uns dem Thema in Zukunft also wieder mehr an.

Lieber Alex, wir haben alle Themen, zu denen wir Dich befragen wollten, abgehandelt – gibt es noch etwas, das du uns mitgeben willst?

Lebe, liebe, handle nachhaltig!

Diese Nachhaltigkeit ist ein zentraler Faktor in all unserem Tun – ob das nun im Büro, oder bei unseren Projekten ist. Überall da, wo der Verein MUT etwas macht, versuchen wir so nachhaltig wie möglich arbeiten.

Der Verein MUT

Der Verein MUT hat derzeit 3 zentrale Arbeitsfelder: Einerseits – und das ist die Keimzelle des Vereins – die beiden MaPaKi-Häuser, wo Familien, die von Obdachlosigkeit bedroht sind rasch und unbürokratisch unterkommen können. Andererseits ist die Obdachlosenhilfe eine zentrale Säule der Arbeit – sowohl aufsuchend, als auch im open space in der Rechten Wienzeile. Dort bietet MUT einen Sozial-Greißler, der mit geretteten Lebensmitteln ausgestattet wird und die Möglichkeit für obdachlose Menschen zu duschen, sich mit einer der Hygienetaschen zu versorgen, oder einfach mal im geschützten Rahmen zu entspannen, bietet. Damit ist auch schon die dritte Säule angesprochen: Der Verein MUT rettet und FAIRteilt etwa 3.500 kg Lebensmittel im Monat – diese werden mehrheitlich an Tageszentren für Obdachlose weitergegeben. Im Bereich Lebensmittelrettung und FAIRteilung macht der Verein außerdem Bewusstseinsbildung an Schulen in Form von Workshops die auf sehr positive Resonanz stoßen.

Aktuelle Informationen gibt es laufend unter: https://www.verein-mut.eu/

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