Flucht & Zuwanderung

You are welcome!

Im Sommer 2015 war ich gerade mit meinem Bachelorstudium fertig und wieder zurück in Wien, um mir ein Jahr lang eine Auszeit vom Studieren zu gönnen. 2015 war auch das Jahr, in welchem die Flüchtlingsbewegung in und durch Österreich ihren Höhepunkt erreichte. Und so wie viele andere Freiwillige auch, wollten meine Mutter und ich nicht tatenlos zusehen und beschlossen, sowohl am Westbahnhof als auch am Hauptbahnhof so gut wie uns eben möglich war, zu helfen.

Vermutlich war es diese Erfahrung, die mich dazu brachte, auf Yasmins Frage hin, ob ich nicht gemeinsam mit ihr und zwei weiteren tollen Frauen einen Deutschkurs für geflüchtete Menschen starten wollen würde, ohne zu zögern mit „ja“ beantwortete. Yasmin Randall ist eine alte Familienfreundin und gemeinsam mit ihr, ihrer Schwester Helen und einer weiteren Freundin Erni wollten wir dieses Vorhaben umsetzen. Denn Deutsch zu beherrschen, könnte bedeuten, dass das Einleben in das neue Land etwas leichter fällt. Das sollte unsere Art sein, einige der gerade aus Syrien geflüchteten Menschen in Österreich „willkommen zu heißen“. Also besuchten wir den Crashkurs „Deutsch als Zweitsprache“, um etwas besser vorbereitet zu sein und begannen schon bald daraufhin einigen der geflüchteten Männer, die damals in Erdberg untergebracht waren, Deutsch im Backstage-Bereich der Arena anzubieten. Der Bereich roch zwar etwas nach Feiern vom Vortag, aber immerhin hatten wir einen Raum. Und wir waren überwältigt und überrascht, dass unser Angebot so gut aufgenommen wurde! Schon beim ersten Kurs war der Backstage-Bereich voll. Und ja, ich war anfangs etwas zögerlich alleine im Raum voller Männer zu stehen, die ich nicht kannte. Wie unbestätigt meine Sorgen sein sollten, stellte sich dann nach den ersten beiden Kursen heraus, als alle Teilnehmenden nichts als nur respektvoll und zuvorkommend waren.

Eins führte zum anderen und relativ schnell entstand aus den Deutschkursen in der Arena der Verein you-are-welcome – Verein zur Schaffung solidarischer Strukturen. Denn genau das wollten wir sein: solidarisch. Und wir wollten Menschen „willkommen“ heißen, die nun Teil unserer Gesellschaft werden würden. Es war uns von Anfang an wichtig, gemeinsam mit den geflüchteten Menschen einen Verein aufzubauen, in welchem alle – egal welche Lebensgeschichte – zum Vereinsleben beitragen. Der Vorstand sollte diese gemeinsame Verantwortung reflektieren. Anfangs hatten wir vor allem Aktivist*innen (so nennen wir unsere Mitglieder) aus Österreich, Syrien und dem Irak. Später kamen immer mehr Afghan*innen hinzu. Neben Deutschkursen, begannen wir schnell auch Diskussionsrunden, Therapie, Hilfestellungen bei Behördengängen anzubieten und gemeinsame Kulturabende zu organisieren. Wir alle wollten voneinander lernen, wollten einander verstehen.

Wie wichtig das gegenseitige Verständnis sein würde, wurde mir aber erst nach und nach wirklich klar. Wir, die schon länger in Österreich lebten, waren manchmal frustriert, wenn die syrischen oder afghanischen Aktivist*innen zu spät kamen oder trotz Zusage manchmal zu gewissen Verabredungen nicht auftauchten. „Das ist halt deren Kultur.“ Ja, vielleicht, aber unsere Zeit geht auch drauf. Also haben wir das bei unseren wöchentlichen Treffen angesprochen, wieder und wieder. Und mit der Zeit kamen wir uns alle entgegen. Wir mussten einsehen, dass nicht alle unsere Angebote (auch wenn wir glaubten, dass es ganz tolle Angebote sind) auf Widerhall stoßen werden und dass die Aktivist*innen teilweise andere Verantwortungen haben oder einfach so gestresst sind, dass sie die Termine vergessen. Und ja, manches Mal kam halt der eine oder die andere ohne wirklichen Grund zu spät – soll auch sein dürfen, passiert uns ja auch.

Gemeinsamere Ausflug

Seit 2015 hat sich im Verein viel getan, auch viele Hürden wurden überwunden. Wo am Anfang die Spendenfreudigkeit in der österreichischen Gesellschaft noch groß war, nahm sie nach 2016 auffällig ab. Dies bedeutete, dass wir nach alternativen Geldquellen und Sachspenden Ausschau halten mussten. Auch das politische Klima und die immer stärker scheinende Feindlichkeit gegenüber Geflüchteten mach(t)en zu schaffen. Die Aktivist*innen wollten nicht in einem Topf mit den wenigen, aber stark negativ auffallenden geflüchteten Menschen geworfen werden. Das ist doch verständlich, oder? Doch all das schupfen alle im Verein involvierten ohne Mühe. Das Engagement aller Aktivist*innen im Verein ist und wird für mich immer eine Inspirationsquelle bleiben: Zu geben, was man zu geben hat, Solidarität zeigen, wo sie benötigt wird. 

Der Verein hat viele Menschen kommen und gehen gesehen. Auch ich bin nicht mehr so stark involviert, wie ich es zu Beginn war. Trotzdem ist ständig viel los und die wöchentlich stattfindenden Meetings, als auch die diversen Kurse, sind immer gut besucht. Das beweist, dass so ein Ort wie you-are-welcome ihn bietet, an dem ein Austausch stattfindet, ein Entgegenkommen angeboten wird und Gemeinsamkeiten geschaffen werden noch nicht obsolet geworden ist. Und vielleicht ist es ja ein gutes Zeichen, wenn einige der Aktivist*innen schon so sehr ein eigenes Leben hier aufgebaut haben, dass sie so einen Ort nicht mehr „brauchen“.

Verein you-are-welcome

Falls Sie vom Projekt genauso begeistert sind wie ich, dann besuchen Sie uns doch bei einem der wöchentlich stattfindenden Treffen! Der Verein freut sich immer über nette Gesichter und Unterstützung jeglicher Art.

Mehr Infos finden Sie unter: http://www.you-are-welcome.at/ueber-uns/

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