Respekt & Vielfalt

Ferkelfroh: „Der Respekt, mit dem man Lebewesen begegnet, ist ansteckend“

Bis heute kann man auf dem „Lebenshof Ferkelfroh“ in beeindruckender Weise miterleben, wie zufriedene Tiere leben, spielen und einfach ihre Natur ausleben. Vereinsvorsitzende und erklärter Schweine-Fan Claudia Haupt hat mit derdiedasrespekt.at über ihre Motivation, das Leben am Hof und die Entwicklungen des Projektes in den letzten zwei Jahren gesprochen.

Liebe Frau Haupt – der Lebenshof Ferkelfroh vom gleichnamigen Verein betreut im Südburgenland Schweine, möchten Sie die Initiative kurz vorstellen?

Unser Verein rettet Hausschweine und ermöglicht ihnen ein gutes Leben. Wir haben zu Beginn privat mit 5+4 Hausschweinen gestartet. Diese haben wir vom Bauernhof, wo sie ursprünglich gelebt haben, freigekauft und alternativ untergebracht. 2014 haben wir dann den Verein Ferkelfroh gegründet, um den Tieren besser helfen zu können und in Folge noch mehr Tieren helfen zu können. Der Bedarf war gegeben, weil es in Österreich sonst keinen anderen Verein gibt, der sich auf Schweine spezialisiert hat.

Den Lebenshof haben wir dann 2016 übernehmen können. Vorher waren unsere Schweine auf mehreren externen Höfen untergebracht – dann haben wir uns aber entschlossen, einen Standort zu schaffen, um die Tiere selbst zu betreuen. Am Lebenshof haben wir aktuell 26 Großschweine in Freilandhaltung auf einer 2,5 ha großen Wiese mit mobilen Unterständen. Diese haben bei uns die Möglichkeit, sich ihre Tage frei einzuteilen: Sie werden zweimal täglich gefüttert, ansonsten folgen sie ihrem eigenen Zeitplan – d.h. sie gehen spazieren, schlafen oder spielen miteinander. Außerdem haben wir noch vier Minischweine und es haben sich noch zwei Enten dazugeschummelt.

Eventuell klingt die Frage seltsam, aber was war der Auslöser für die Idee, Schweine zu retten?

Die Frage finde ich gar nicht so seltsam. Die Frage nach der Motivation drängt sich bei solchen Projekten auf – die stellt eigentlich jeder. Wir haben uns einfach in diese Tiere verliebt. 2013 haben wir unseren geliebten Pinkie und seine Familie kennengelernt, nachdem wir am Landgut Cobenzl in Wien dafür sensibilisiert wurden, wie glückliche Schweine eigentlich leben. Wir haben uns so verliebt, dass wir nicht zulassen konnten, dass sie geschlachtet und gegessen werden. Alles weitere ist aus dieser Entscheidung gefolgt – und aus dem großen Bedarf an Zufluchtsstellen, der sich tagtäglich aufs Neue ergibt.

„Orte des Respekts“ prämiert die Orte, an denen Menschen etwas Besonderes für unser Zusammenleben getan haben und weiterhin tun – inwiefern trifft das auf den Verein Ferkelfroh zu?

Es trifft bei uns auf mehreren Ebenen zu. Denn wir versuchen tagtäglich, dass wir unseren Schweinen, die ja nicht nur in Österreich die am meisten ausgebeuteten und am schlechtesten behandelten sogenannten „Nutztiere“ sind, auf Augenhöhe begegnen. Und sie als das zu behandeln, was sie sind, also wertvolle und intelligente Lebewesen und Mitgeschöpfe.

Man kann natürlich darüber diskutieren – es ist eine ethische Frage, ob man sagt Mensch und Tier sind gleichwertig. Aus unser Sicht trifft das natürlich zu. Für uns sind Schweine gleichwertig mit anderen Lebewesen. Nicht zuletzt überträgt sich dieser Respekt, den wir hier unseren Tieren gegenüber leben natürlich auch auf die Menschen, die uns besuchen kommen und auf jene Menschen, mit denen wir tagtäglich interagieren.

Ich kann keine Bewusstseinsveränderung erreichen, wenn ich nicht den Menschen, die mir täglich begegnen mit gutem Beispiel voran gehe und allen Lebewesen mit dem nötigen Respekt gegenübertrete. Dafür ist unser Verein mittlerweile auch bekannt. Wir versuchen, einen gemäßigten Weg des Dialogs zu gehen, der möglichst vielen Menschen offen steht.

Es ist eine ethische Frage, ob man sagt Mensch und Tier sind gleichwertig.

Ich finde, der Verein ist eine ganz tolle Initiative! Und weil Sie von den Menschen gesprochen haben, die Sie besuchen: Man kann die Schweine besuchen?

Man kann sie besuchen, ja! Grundsätzlich gibt es drei Veranstaltungen im Jahr, die öffentlich zugänglich sind. Unser Frühlingsfest, unser Herbstfest und unser Adventmarkt. Die Tiere können auf der Weide besucht, gestreichelt und auch gefüttert werden. Falls das – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich ist – versuchen wir auch auf unseren Social-Media-Kanälen immer aktuelle Fotos und Videos zu teilen um zumindest virtuelle Besuche zu ermöglichen.

Der Verein hat im Jahr 2018 mit dem Projekt Lebenshof Ferkelfroh als „Ort des Respekts“ das Respekt.net Community-Voting gewonnen. Haben Sie damit gerechnet?

Offen gesagt Nein – gerechnet haben wir nicht damit. Wir konnten den Community-Award schlussendlich für uns entscheiden, weil sich ganz viele Menschen bemüht haben, dass wir diesen Preis bekommen. Natürlich haben wir darauf gehofft, weil auch wir uns über Spenden finanzieren. Wir leben von Spenden und Patenschaften und bekommen sonst keinerlei öffentliche Unterstützung. Für uns war das in zweierlei Hinsicht eine tolle Unterstützung – durch den großen Zuspruch und den Preis! Wir haben uns darüber sehr gefreut und möchten uns nachträglich nochmals bedanken!

Wir sind bei der Neuauflage des Projektes darauf gestoßen, dass das Projekt Lebenshof Ferkelfroh an der Jury vorbeigezogen ist. Das Projekt ist aber grundsätzlich eines von den Lieblingsprojekten unserer Präsidentin und unseres Teams – die Freude ist somit beiderseitig. Was haben denn die „Orte des Respekts“ für eure Initiative gebracht?

Uns ist klar, dass Tierschutzprojekte bei den Orten des Respekts nicht Zielgruppe Nummer eins sind. Ich bin aber auf jeden Fall überzeugt, dass sie eine gute Wirkung hatten. Bei der Gala selbst war ich ganz begeistert, wie viele verschiedene und vielfältige Projekte dort einem größeren Publikum vorgestellt wurden. Ganz zu schweigen von der unglaublichen Vielfalt und Vielzahl an Projekten, die eingereicht wurden. Das war wirklich beeindruckend!

Die Schweine werden liebevoll betreut, ihre Tage gestalten sie selbst |

Wie geht es der Initiative „Lebenshof Ferkelfroh“ zwei Jahre nach den Orten des Respekts, was hat sich getan?

Es war eine recht turbulente Zeit, aber ich glaube, das ist auf einem Lebenshof normal. Es hat sich einiges getan, denn wir haben unsere Weide und unsere mobilen Unterstände fertig gestellt. Wir haben ein weiteres Schwein permanent dazu bekommen, jedoch haben wir leider auch einen schweren Verlust zu beklagen – unser Wappenschwein, unseren geliebten Pinkie. Das war ein wirklich fürchterliches, einschneidendes Erlebnis. Wir haben in der Folge dann auch unseren Verein umbenannt in „Verein Ferkelfroh – Pinkies Vermächtnis“, um unserem Pinkie ein respektvolles Denkmal zu setzen.

Wir kämpfen in Wirklichkeit tagtäglich an zwei Fronten – einerseits an der adäquaten Versorgung der Tiere, diese ist unsere primäre tägliche Herausforderung. Andererseits am mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Bestehen. Aber, bis heute gibt es uns – nicht alle Lebenshöfe schaffen das!

Wir leben wie bereits gesagt nur von Spenden und Patenschaften. Denn es gibt offizielle Förderungen in Zusammenhang mit Schweinehaltung tatsächlich nur dann, wenn die Tiere gezüchtet und gemästet und anschließend verkauft oder geschlachtet werden. Für eine respektvolle, alternative Haltung sogenannter Nutztiere gibt es dagegen keinen einzigen Cent – weder vom Staat, noch von der EU.

Wow, meine nächste Frage wäre nämlich, ob sich in den letzten zwei Jahren etwas zum Besseren entwickelt hat – nämlich einerseits in der Behandlung von „Nutztieren“ und ob sie das Gefühl haben, dass Projekte wie der Verein Ferkelfroh mehr Perspektive haben, als noch vor zwei Jahren.

Also, wenn ich mir die täglichen Nachrichten anschaue, müsste ich mit einem klaren Nein antworten. Steigende Schlachtzahlen, Tierexporte und Importe, Unfälle bei Tiertransporten, generell die Haltung der Nutztiere in Österreich und Europa ist jeden Tag auf Neue eine große Tragödie – vor allem für Schweine, die ja ausgesprochen intelligente und sensible Tiere sind.

Im Kleinen sehe ich aber sehr wohl, dass sich in den letzten Jahren viel verändert hat. Sowohl beim Durchschnittsverbraucher, der sich inzwischen öfter überlegt, woher seine tierischen Lebensmittel und Produkte kommen. Aber auch ganz generell in der Bevölkerung, wo mehr Tierwohl gefordert wird und wo immer mehr Menschen auf vegetarische oder vegane Ernährung umsteigen – und sei es nur für ein, zwei Tage die Woche.

In der Politik erlebe ich dagegen noch kein echtes Umdenken. Da stehen halt auch ganz massive finanzielle Interessen und intensive Lobby-Arbeit von den Nutznießern des Status quo dahinter. Von den Menschen kommt da zum Glück immer mehr Druck – und nur so kommt es zu einer Bewusstseinsänderung, die eine Gesellschaft auch nachhaltig zu mehr Respekt und Wertschätzung ändern kann.

Orte des Respekts 2020

Noch bis 12. Juli 2020 können Vereine, Privatpersonen, Gemeinden, etc. ihre Initiative für eine bessere Gesellschaft einreichen und ein „Ort des Respekts“ werden. Es warten Preisgelder von insgesamt 7.000 Euro auf die ausgezeichneten Projekte.
Weitere Informationen sind auf ortedes.respekt.net abrufbar!

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