Gleichberechtigung & Frauenrechte

Gemeinsam unschlagbar: Karate gegen sexuelle Übergriffe

Hallo Mario! Danke, dass du dir Zeit für dieses Gespräch nimmst. Könntest du dich kurz vorstellen und uns erzählen, was deine Aufgaben bei SONNE-International sind?

Hallo! Mein Name ist Mario Siokola und ich bin bei SONNE-International für das Online-Marketing und Social Media Management zuständig. Da gehört auch Online-Fundraising im weitesten Sinne dazu.

Ihr habt einen tollen Organisations-Namen. Wer oder was aber ist SONNE-International?

SONNE-International ist eine österreichische Hilfsorganisation, die hauptsächlich Schulen baut und betreibt – und zwar in Äthiopien, Bangladesch, Myanmar und Indien. Uns gibt es seit 2002, bald sind wir also 20 Jahre alt.

Ihr habt auf Respekt.net das erfolgreiche Projekt „Gemeinsam unschlagbar“ gecrowdfundet. Das Projekt hat zum Ziel Mädchen in Indien zu stärken. Wie habt ihr dieses Ziel verfolgt?

Das Projekt ist 2014 entstanden, als es die ersten Berichterstattungen über Massenvergewaltigungen in Indien auch in Europa gegeben hat. Der Projektleiter hatte das Glück zu dem Zeitpunkt die österreichische Karateweltmeisterin Alisa Buchinger für das Projekt gewinnen zu können. Sie wurde Projektpatin und war auch seither zweimal mit SONNE-International in Indien.

Bei unseren Schulprojekten gibt es immer begleitende Programme, wie zum Beispiel Gesundheitsprogramme und Sportprojekte. Und eben eines dieser Sportprojekte war dann speziell für Mädchen aus unteren Kasten, die ja besonders vulnerabel sind und immer wieder Gewalt ausgesetzt sind, gedacht. Da ist eben die Idee aufgekommen gemeinsam mit Alisa ein Karateprojekt zur Stärkung dieser Mädchen ins Leben zu rufen.

Das war 2014 und war damals noch ein kleines Pilotprojekt. Dieses Projekt ist heute ein sehr erfolgreiches und konnte sogar auf weitere Schulen ausgeweitet werden.

Am Anfang stießen wir jedoch natürlich auf gewisse Probleme. Man musste die Dorfgemeinschaft ins Boot holen und sie davon überzeugen, dass es eine gute Idee ist, die Rolle der Frauen und Mädchen zu stärken. In gewissen Regionen Indiens werden Frauen immer noch als Menschen betrachtet, die nicht sich selbst sondern dem Vater oder Ehemann gehören. Und hier mit einem Projekt ankommen zu wollen, dass Frauen stärken will – da bedarf es schon viel Aufklärungsarbeit. Mittlerweile ist aber die Akzeptanz der Eltern gegeben und das Projekt wächst und gedeiht.

Du hast gerade schon die Dorfgemeinschaft angesprochen. Da hast du meine nächste Frage sogar schon etwas vorweg genommen: Wie hat die Zusammenarbeit vor Ort ausgesehen?

Die SONNE betreibt Schulen in sehr abgelegenen Orten, das sind meist sehr kleine Dörfer – Orte wo die Zentralregierung meist keine Schulen baut. In solchen Orten übernehmen die Dorfgemeinschaften die Rolle einer Behörde. Das heißt, man muss sich mit den Eltern und den Dorfältesten einigen.

Wie habt ihr es geschafft, die Dorfgemeinschaft von der Idee eures Projektes zu überzeugen?

Es ist sehr stark über die Schüler*innen und ihre Mütter gegangen und wir haben auch immer lokale Lehrer*innen und lokale Karatelehrer*innen dabei gehabt, die für das Projekt eingestanden sind. Es ist also nicht jemand aus dem Ausland auf die Gemeinschaft zugegangen und hat gesagt: „Das ist gut, macht das jetzt!“ Wir versuchen immer unsere Projekte mit lokalem Personal zu stemmen. Wir versuchen also mit Hilfe unserer Partnerorganisationen vor Ort mit den Familien ins Gespräch zu kommen, um dann die Projekte gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft aufzuziehen. Das ist uns ganz wichtig.

Diese Karatekurse sollen helfen Geschlechterrollen aufzubrechen. Könntest du kurz erläutern, inwiefern dies ein Karatekurs bewerkstelligen kann?

Insofern, dass vor allem den jungen Frauen und Mädchen bewusst wird, dass sie sich gegen Übergriffe jeglicher Art wehren dürfen und auch wehren können. Da hat Alisa als Frau sehr viel beigetragen. Da kommt eine Karateweltmeisterin und zeigt vor, wie stark Frauen sein können. Das hat natürlich eine gewisse Vorbildwirkung. Und Karate hilft ein gewisses Bewusstsein aufzubauen: Man ist keine Sache, man gehört niemandem und es ist okay, selbstbewusst zu sein. Da verändert sich dann sowohl einiges in den Mädchen, aber auch in der Gesellschaft rundherum.

Mir ist bewusst, dass solche Entwicklungen ein langer und komplexer Prozess sind. Konntet ihr seit dem Projektstart schon gewisse Tendenzen innerhalb der Gemeinschaften beobachten oder auf gewisse Erfolgsmomente zurückschauen?

Ja, genau, das ist es. Aber ein großartiger Erfolg ist, dass wir letztes Jahr das Projekt auch in andere Schulen in der Region tragen konnten. Die Schulen und die Gemeinschaften sind an uns herangetreten, mit dem Wunsch auch in ihren Regionen Karatekurse anzubieten. Das hat sich also herumgesprochen und wir haben es nun geschafft, an zwei weiteren Schulen diese Karatekurse zu etablieren. Und das alles auf Initiative der Dorfgemeinschaften und das ist natürlich ein großer Erfolg für uns.

Das klingt toll! Wir kommen schon zu meiner letzten Frage: Gemeinsam unschlagbar war ja als ein Pilotprojekt angedacht. Du hast schon erwähnt, dass das Projekt wächst und gedeiht. Wie geht es weiter? Wie schaut die Zukunft aus?

Wir versuchen weiterhin, das Projekt in der Region auszuweiten. Wir müssen die Projekte auch finanziell am Leben erhalten, daher werden wir auch heuer wieder eine Fundraising-Aktion starten.

Ein weiteres Ziel ist es mehr Berichterstattungen rund um die Thematik zu generieren und ein Bewusstsein auch hier bei uns in der Bevölkerung dafür zu schaffen.

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