Armut & Sozialstaat

Lieber auf der Straße als ohne Hund!

Es kann ganz schnell gehen, auf der Straße zu landen. Familie Frank passierte es, nachdem sie beide aufgrund großer psychischer Belastungen ihre Arbeit verloren hatten: Alfred wurde auf der Tankstelle auf der er arbeitete, mehrmals überfallen. Nachdem er Zeuge eines Schusswechsels wurde, litt er unter Panikattacken und Angstzuständen. Die schwierige Situation zu Hause belastete seine Lebensgefährtin Monika, die als Telefonistin nach durchwachten Nächten unkonzentriert war.
Nachdem beide arbeitslos wurden, waren ihre bescheidenen Reserven schnell aufgebraucht. Auch die MA 40 – die Abteilung Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht – konnte aus dem Mietrückstand nicht hinaus helfen und die drohende Delogierung abwenden. Plötzlich standen Monika, Alfred und ihr Hund Dani vor dem Nichts. Mit einem Koffer „mit dem, was sie tragen konnten“, Dani und seinem Lieblingskuscheltier kamen sie zuerst in einem Hotel unter, dann schliefen sie – wie eine Reihe anderer wohnungsloser Menschen – im Buschwerk der Lobau.

Seit knapp einem Jahr haben sie wieder ein Dach über dem Kopf und Dani schläft wieder in einem Körberl unter einem richtigen Bett. Wie haben sie die Obdachlosigkeit mit Hund erlebt? „Das war ganz schlimm“, erzählt Monika; „Zuerst war er es ja gar nicht gewohnt. Es war für ihn ja auch eine Umstellung – wie für uns! Bei jeder Bewegung waren wir munter und der Hund hat gebellt. Wir hatten natürlich auch Angst, dass uns jemand sieht.“

Ihre Obdachlosigkeit haben Monika und Alfred vor Familie und Freunden versteckt – aus Scham. Weil sie bis vor kurzem noch Arbeit, Auto und Wohnung hatten. Untertags konnten sie sich im P7 (Wiener Service für Wohnungslose der Caritas) aufhalten, aber am Abend ging es in die Lobau zum Schlafen.
„Man kann sich nicht vorstellen, wie es ist, obdachlos zu sein, wenn man nie so gelebt hat. Man hat einfach keine Vorstellung davon, in was für ein tiefes Loch man fällt, wenn man alles verliert, was man sich aufgebaut hat“, schildert Monika die schwierige Situation.

Monika Frank, ihr Lebensgefährte und ihr Hund Dani fanden im Haus St. Josef ein neues Zuhause |
Ein Kind gibt man ja auch nicht einfach ab!

 

Durch das Andocken im P7 wurden Monika und ihr Partner aber auf das Beratungszentrum der Wohnungslosenhilfe vom Fonds Soziales Wien (FSW) aufmerksam, das auch betreute Wohnplätze vermittelt. Bis sie einen Wohnplatz im Haus St. Josef bekamen, dauerte es aber noch ein knappes dreiviertel Jahr. Dass sie so lange auf einen Platz warten mussten, liegt an Dani: Es gibt nur wenige Einrichtungen, in denen Haustiere erlaubt sind. „Es gibt viel zu wenige Plätze für die Hunde – es sind ganz viele Menschen vorgemerkt, die sich nicht von ihren Tieren trennen wollen. Wenn man alleine ist, geht es schneller“, klärt uns Monika auf. „Aber – wir hätten uns nie vorstellen können, den Hund abzugeben. Das stand nie zur Diskussion. Dani ist ein Familienmitglied – ein Kind gibt man ja auch nicht einfach ab!“

Gerade in einer Extremsituation, wie der Wohnungslosigkeit, sind die vierbeinigen Gefährt*innen für viele Betroffene ganz besondere emotionale Stützen: „Wenn man jemand den Hund nehmen würde, würde er zu Grunde gehen. Der Hund ist für uns alles – und das geht vielen so. Wir wären in keine Einrichtung gegangen, wenn wir den Hund abgeben hätten müssen. Wenn es hart auf hart gekommen wäre, wären wir lieber auf der Straße geblieben, als den Hund herzugeben!“

Wieder auf eigenen Füßen und Pfoten stehen

Das Haus St. Josef erinnert Monika an eine WG mit Tieren. Was besonders wichtig ist: Dani fühlt sich im Haus mit 26 anderen Hunden und neun Katzen auch wohl. Und: Die Betreuer*innen haben auch Monika und Alfred nach Kräften dabei unterstützt, wieder auf die Beine zu kommen: „Wenn du länger obdachlos warst, musst du wieder lernen, dir dein Leben zu regeln. Du musst auf verschiedene Ämter gehen, wieder Verantwortung übernehmen. Dabei haben uns die Betreuer*innen und auch die Leiterin des Hauses sehr geholfen.“ Monika ist stolz, was sie im letzten Jahr mit Alfred und Dani erreicht hat: Sie hat sich gerade für eine Ausbildung als Peer der Wohnungslosenhilfe beworben, um anderen Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass man mit der richtigen Hilfe wieder Tritt fassen kann. Außerdem ziehen Alfred, Dani und sie im März wieder in eine eigene Wohnung. Im ersten Jahr werden sie noch mobile Betreuung durch die Volkshilfe in Anspruch nehmen, „damit uns so etwas nie wieder passiert.“

Was Monika sich wünschen würde? „Mehr Häuser, in denen Tiere erlaubt sind!“ Auch, damit die Menschen nicht mehr auf der Straße schlafen müssen. Und: Wohnungen, die sich normale Menschen leisten können. Weil: „Es wird auch immer mehr. Immer mehr Menschen werden delogiert, weil sie sich das Wohnen nicht mehr leisten können. Wenn du nur einen Verdienst mit zwei Kindern hast – wie soll sich das ausgehen? Dann kannst du einmal die Miete nicht zahlen und bist schon in einem Rückstand – zum Beispiel 600 Euro. Im nächsten Monat kommt das wieder dazu. Wie sollst du 1.200 Euro aufbringen? Da muss dringend etwas getan werden, nicht nur geredet.“

Das Haus St. Josef und das "Housing First"-Projekt

Das Haus St. Josef der Caritas bietet Platz für 41 Personen und beherbergt weiters aktuell 27 Hunde und neun Katzen. Als Übergangswohnheim konzipiert, bietet das Haus im 7. Wiener Gemeindebezirk einen Platz für wohnungs- und obdachlose Menschen, die ihr Haustier nicht abgeben wollen. Auch Personen mit Suchtproblematik werden aufgenommen. Die Nachfrage nach freien Plätzen ist groß, eine Warteliste regelt die Platzvergabe. Die Wiener Tafel liefert Lebensmittel, der Neunerhaus-Tierarzt hilft bei tierischen Problemen, FEM sorgt für psychologische Begleitung der Bewohner*innen.

Das „Housing First“ Projekt der Caritas ermöglicht einen direkten Zugang zu einer eigenen Wohnung mit individueller Begleitung durch Sozialarbeiter*innen. Das Prinzip des Projekts ist die eigene Wohnung als oberste Priorität anzusehen und erst danach die weiteren Probleme zu lösen. Sozusagen eine Wohnung als Grundrecht zu definieren. Kriterium ist ein fixes Einkommen (z.B. Mindestsicherung) sowie eine Bewilligung des Beratungszentrums Wohnungslosenhilfe des Fonds Soziales Wien (FSW). Weitere Informationen zu Housing First sind online zu finden. 

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