Umwelt- & Klimaschutz

Psychologie des Klima­wandels: „Es braucht Handlungs­alternativen“

Auf eine seltsame Weise erreicht der Klimawandel nicht das Gefühl der meisten Menschen. Im Gespräch mit Diplom-Psychologen Felix Peter von Psychologists for Future über die Frage, warum sich der Mensch mit dem Klimawandel so schwer tut.

Der Klimawandel hat es geschafft und ist im Diskurs angekommen. Auf eine seltsame Weise bleibt das Thema dennoch abstrakt, erreicht nicht das Gefühl der Menschen. Warum tut sich der Mensch mit dem Klimawandel so schwer?

Der Klimawandel ist zwar auf der Diskursebene angekommen und befindet sich im politischen und medialen Gespräch. Die Frage, die sich damit verbindet: Warum fühlen sich viele Menschen nicht so bedroht, dass sie aktiv ihr Leben umstellen? Oder dass sie in Massen demonstrieren, damit sich die Politik ändert? Es ist noch lange nicht die große Masse. Das hängt auch damit zusammen, dass der Klimawandel nicht so viele Sorgen macht wie andere Probleme im Alltag. Wie der Job, Schulerfolg der Kinder, Gesundheit. Es gibt für viele Menschen viel drängendere alltägliche Sorgen, die viel dichter an ihnen dran sind und diese Sorgen konkurrieren quasi mit der etwas abstrakteren Bedrohung, die der Klimawandel darstellt.

Wenn die Wissenschaft und Medien Bedrohungen darstellen, die in 30 oder 50 Jahren eintreten könnten, wieso ist dies so schwer zu begreifen? Weil die Bedrohung noch weit entfernt ist?

Weil es so weit weg ist, ist eine Antwort. Weil es sehr abstrakt und komplex ist und wir eher über Mechanismen zum Umgang mit einfacheren Problemen verfügen, eine zweite Antwort. Ein ganz einfaches Problem wäre beispielsweise: Ich gehe in den Wald und da ist ein Raubtier, das mein Leben bedroht. Entweder renne ich weg, ich kämpfe oder ich erstarre und hoffe, dass ich nicht gesehen werde. Eine akute, reale Bedrohung, die ich sehen kann, die mir gegenübersteht, das sind die Herausforderungen, die uns emotional erreichen und dann haben wir auch Mechanismen damit umzugehen. Wenn Menschen von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen sind, also beispielsweise in einem Land leben, in dem ganze Landstriche immer wieder überflutet werden oder es Dürren über Jahre hinweg unmöglich machen, Lebensmittel anzubauen, und den Klimawandel mit solchen Veränderungen in der Natur zusammenbringen, dann fühlen sie sich vom Klimawandel vielleicht eher bedroht. Für viele in Zentraleuropa ist das nicht akut. Andere Sorgen wirken alarmierender. 

Greta Thunberg hat einmal gesagt: “Ich will, dass ihr in Panik geratet!”. Was macht das mit uns? Werden wir von so einem Satz eher angetrieben im Tun oder bremst uns das?

Es war ja natürlich ein rhetorisches Mittel und sie hat das direkt an Politiker*innen aus der ganzen Welt gerichtet. Wenn wir an die gesamte Bevölkerung denken, dann wäre es nicht gut, dass sie in Panik verfällt. Weil Panik verhindert, dass wir rational handeln und gerade im Umgang mit der Klimakrise ist dies wichtig. Es gibt psychologische Studien, die zeigen, dass bei apokalyptischen Botschaften oder auch wenn nur ganz nüchtern die harten Fakten dargelegt werden, dies durchaus dazu führen kann, dass Menschen weniger bereit sind sich zu engagieren. Die Forschung zeigt aber auch, dass es hilfreich ist, Informationen über die Klimakrise damit zu flankieren, dass man auch sagt, was man denn konkret tun kann. Neben individuellen Verhaltensalternativen beispielsweise ein Engagement im Rahmen der Klimabewegung oder in politischen Organisationen.

Es braucht immer Handlungsalternativen, die auch sinnvoll und annehmbar wirken und bei denen sich Menschen ein Stück weit mitgenommen fühlen.

Politiker*innen wollen ja Wahlen gewinnen. Anscheinend ist die Gesellschaft noch nicht so weit, dass man zwar mit dem Thema Klimawandel Stimmen bekommt, aber noch keine Wahl gewinnt.

Aufgabe der Politik ist der Interessenausgleich und auch die anderen Sorgen im Blick zu haben. Ich denke schon, dass viele Politiker*innen anerkennen, dass es eine große Priorität hat. Auf der anderen Seite sehen sie auch, dass sie ja trotzdem eine Verantwortung für die Menschen im Jetzt haben, die womöglich in existenzielle Schwierigkeiten geraten, wenn man jetzt alles umstellen würde. Die Sache ist sehr komplex, vor allem für die Politik. Es ist ja auch nicht so, dass die Bevölkerung zu 100 Prozent knallharte Klimamaßnahmen fordert.
Das große Problem hinsichtlich des politischen Fortschrittes ist, dass Politik – in jenen Staaten, in denen der Klimawandel überhaupt anerkannt wird – heute nicht unbedingt zu langsam ist, sondern dass sie bisher zu langsam war. Der Klimawandel und seine Folgen sind seit Ende der 70er Jahre bekannt und seitdem wäre genug Zeit gewesen, im langsamen, aber gut durchdachten demokratischen Prozess die entsprechenden Maßnahmen in die Wege zu leiten. Wenn, dann müsste man den Verantwortungsträger*innen der letzten 30 Jahre die Frage stellen: Warum fangen wir erst jetzt so richtig an? Darum stehen wir ja alle unter Druck.

Es gibt ja noch immer Menschen, die den Klimawandel leugnen oder die Auswirkungen des Klimawandels schönreden. Kann man hier mit Fakten punkten?

Die Hintergründe, warum Menschen den Klimawandel leugnen, herunterspielen oder verdrängen, sind sehr vielschichtig. Ich würde hier die Menschen ausklammern, die bewusst Klimastudien verzerrt darstellen und bewusst falsch informieren, da hängen andere politische Interessen dran. Das sind beispielsweise Menschen, die eher nicht durch Argumentation oder noch mehr Fakten zu überzeugen sind, sondern sie vertreten aufgrund ihres ideologischen Hintergrundes diese wissenschaftlich haltlose Meinung.
Wichtiger ist die Auseinandersetzung weniger mit solchen Klimaleugner, sondern mit Menschen, die weniger individuelle persönliche Ressourcen haben, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen. Oder die sich bedroht fühlen, dass sich jetzt vieles ändert. Wenn es heißt, dass man nicht mehr so viel Auto fahren soll, obwohl das Auto für die Person eine wichtige Funktion hat. Da müsste man damit arbeiten, Menschen zu überzeugen, dass alle Maßnahmen zum Klimaschutz dazu dienen, dass wir uns unsere Freiheit in naher und ferner Zukunft erhalten. Die Politik muss hier konkrete Alternativen ermöglichen. Wenn ein Mensch sich nicht in der Lage sieht auf das Auto zu verzichten, weil seine Funktion für ihn existenziell ist, dann kann man ihm nicht einfach vorwerfen, dass er nicht auf sein Auto verzichtet, denn hier braucht es eine systematische politische Lösung. Denn das betrifft ja viele Menschen.

Dann gibt es Menschen, die ihr Lebensgefühl bedroht sehen. Für manche Menschen ist es für das Lebensgefühl wichtig, jeden Tag Fleisch zu essen. Wenn gesagt wird, das Fleischessen schadet aber der Umwelt, gehen diese eher in einen Widerstand, vor allem wenn jemand mit dem erhobenen Zeigefinger kommt. Es braucht immer Handlungsalternativen, die auch sinnvoll und annehmbar wirken und bei denen sich Menschen ein Stück weit mitgenommen fühlen. 

Ist es daher sinnvoller, eine positive Zukunft zu malen, also wie eine Zukunft aussehen kann, wenn wir diese Maßnahmen setzen, als wie mit Ängsten zu arbeiten, wenn wir nichts tun?

Grundsätzlich psychologisch gesehen müsste man sagen, dass Menschen über positive Anreize und Aussichten viel besser ihr Verhalten ändern können, sie motivierter sind, als wenn man etwas androht. Angst ist keine gute Hilfe, wenn es darum geht zu rationalem Verhalten anzuhalten. Wenn es beispielsweise um CO2-Bepreisung geht, könnte man ja auch sagen: Bei jedem Produkt steht drauf, wie klimaschädlich es ist. Und das ließe sich damit verbinden, dass klimaschädliche Produkte mehr besteuert werden und klimafreundliche weniger. Dann hätte man ein Anreizsystem, auf klimafreundliche Produkte umzusteigen. Die wären dann nicht nur klimafreundlicher, sondern auch preiswerter. Dann wären Unternehmen auch angehalten, ihre Produkte klimafreundlicher zu produzieren.

Würde wahrscheinlich auch das “Problem” lösen, dass manche Menschen das Gefühl haben, als Einzelner nichts bewirken zu können. 

Das wäre zumindest eine Möglichkeit, diese Komplexität auf einen Punkt zu reduzieren und Menschen Handlungsoptionen zu geben, mit denen sie einfach eine gute Entscheidung treffen können.

Wenn uns der Klimawandel im Wohlbefinden einschränkt, dann gibt es eben die eine Option aktiv zu werden, oder sich nicht damit zu befassen und andere Probleme in den Fokus zu nehmen.

Ist der Umgang des Menschen mit der Klimakrise ein anderer als bei anderen Krisen?

Die psychischen Prozesse sind im Prinzip ähnlich. Was den Umgang mit Herausforderungen im Leben angeht. Wir sind eher bestrebt, Probleme durch tatkräftiges Handeln abzustellen. Ob das jetzt den Klimawandel betrifft oder ein kaputtes Auto. Wenn man sich aber nicht in der Lage sieht zu handeln, also aktiv etwas zu tun, dann setzen kognitive Bewältigungsprozesse ein. Sozusagen ein symbolisches Tätigwerden, das im Kopf stattfindet. Dann fangen wir an, das Problem nicht mehr als Problem wahrzunehmen, es kognitiv umzudeuten, herunterzuspielen oder sich gar nicht damit zu befassen. Diese Prozesse kennen wir für viele Herausforderungen, beispielsweise wenn es ums Rauchen geht. Alle wissen: Rauchen ist gesundheitsschädlich für die, die es tun, trotzdem machen es ganz viele. Hier entsteht kognitive Dissonanz. Entweder löse ich diese Dissonanz durch Handeln, indem ich mit dem Rauchen aufhöre, oder ich muss es kognitiv umdeuten und sage mir selbst: Andere haben bis ins hohe Alter geraucht, die sind daran nicht gestorben. 

Man sucht sich also ein Argument, um das Nicht-Handeln zu rechtfertigen?

Oder ich kleb’ einen Aufkleber über die Verpackungsbildchen auf den Zigarettenschachteln. Das ist ein ganz simpler Verdrängungsmechanismus. Andere beschäftigen sich nicht mit Klimanachrichten, ignorieren es, lesen darüber hinweg. Oder sehen sowieso weniger Nachrichten und dann müssen sie sich damit nicht befassen, dann bedroht sie das auch nicht mehr. Das kann man auch niemandem vorwerfen, wir wollen uns ja wohlfühlen. Das wollen ja viele Menschen: Wohlbefinden aufrechterhalten oder ausbauen. Vieles, was wir tun, richtet sich danach aus. Wenn uns der Klimawandel im Wohlbefinden einschränkt, dann gibt es eben die eine Option aktiv zu werden, oder sich nicht damit zu befassen und andere Probleme in den Fokus zu nehmen.

Kommen wir nochmals kurz zurück zu den Auswirkungen des Klimawandels, die in Modellen teilweise als sehr schlimm dargestellt werden. Spielt hier das Nicht-Wahrhaben-Wollen – ähnlich wie in der Trauerpsychologie – eine Rolle?

Es gibt viele Theorien, die sich damit beschäftigen. Beispielsweise die Terror-Management-Theorie. Sie betont die Todesangst als negativen Kern unseres Überlebenstriebes. Sie ist für uns so unangenehm, dass wir sofort versuchen, sie abzuwehren. Zum Beispiel, indem wir alles daranzusetzen, unser symbolisches Überleben zu sichern. Wir versuchen, unseren Selbstwert zu steigern, indem wir zum Beispiel kollektive Überzeugungen unserer sozialen Bezugsgruppe hochhalten, statt uns mit der wahren Bedrohung auseinanderzusetzen. Dies ist eine mögliche Erklärung von vielen.
So, wie ich das erlebe, haben die meisten Menschen einfach andere Sorgen. Wir funktionieren so, dass Sachen, die physisch und psychisch dicht an uns dran sind, Kinder, Familie, Arbeitsleben, Freundeskreis, dass die viel bedeutsamer für uns sind. Viele machen sich deutlich mehr Sorgen darüber, dass beispielsweise ihr Kind morgen den Abschluss in der Schule schafft, weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben. Die Sorge um veränderte Lebensbedingungen in 20, 30, 40 Jahren steht da dahinter an.

Können Sie uns Ihren persönlichen Zugang zur Klimakrise verraten?

Ich habe mich mit dem Thema schon vor zehn Jahren politisch auseinandergesetzt, als es noch nicht so stark in der Diskussion war. Und ich stelle an mir selbst fest: Ich lebe ja trotzdem mein Leben weiter. Weil ich diese Stabilität auch brauche, um sozusagen gut leben zu können und wenn ich diese Stabilität nicht hätte, könnte ich mich mit dem Thema Klimawandel gar nicht so befassen. Ich merke, dass auch in meinem Umfeld viele Menschen ihr Leben so weiterleben, aber versuchen, selbst individuell etwas beizutragen, sich politisch zu engagieren, zu sagen: Dann fahr ich wieder mit dem Zug in den Urlaub, fliege weniger, fahre mehr mit dem Rad oder entscheide mich bewusst für vegetarische Ernährung.

Gehen Sie selbst auf Klimademos?

Wenn es mir beruflich möglich ist, dann ja.

Zur Person:

Felix Peter ist Diplom-Psychologe, Teil von Psychologists for Future und lebt in Halle (Saale), Sachsen-Anhalt. In seiner Dissertation befasste er sich wissenschaftlich mit dem Erleben und dem Umgang mit Ungerechtigkeit. 

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