Demokratie & Bürgerrechte

„Recht auf Wahrheit“ soll Vertrauen in die Politik wieder herstellen

Stellungnahme zum Ministerialentwurf betr. Bundesgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechnungshofgesetz 1945,das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen werden.

Natürlich ist das vorgesehene Bundesgesetz zu begrüßen. Aus Sicht eines Juristen und Vorsitzenden eines Bürgerrates, der auf Ehrlichkeit und Transparenz in der Politik wert legt, möchte ich auf die folgenden Problembereiche hinweisen bzw. Fragen aufwerfen.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, dass die*der Bürger*in in einer transparenten Weise alle wichtigen Informationen erhält die zum Wesen einer Demokratie gehören. Offensichtlich wird es als selbstverständlich angesehen, dass die veröffentlichten Informationen richtig, vollständig und nicht irreführend  zur Verfügung gestellt werden.

Aber welche Rechte hat die*der Bürger*in wenn es vielleicht doch einmal passiert, dass die veröffentlichen Informationen und  getroffenen Aussagen nicht richtig sind?

Laut Erläuterung zum Gesetz sollen nach Art.22a BVG Informationen von allgemeinem Interesse von den informationspflichtigen Organen von sich aus – ohne konkretes Ansuchen – (pro-)aktiv in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise veröffentlicht werden.

Was ist darunter zu verstehen? Fallen zum Beispiel Interviews im ORF oder mündliche Aussagen gegenüber Medien unter die Bestimmung des Gesetzes? Die Formulierung des § 1 des Informationsfreiheitsgesetzes „das Bundesgesetz regelt die Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse und den Zugang zu Informationen „ lässt den Schluss zu dass sowohl mündliche Aussagen die von Organen des Bundes  in der Öffentlichkeit getroffen wurden als auch schriftliche Antworten auf konkrete Anfragen von Bürgern vom Geltungsbereich des Gesetzes umfasst sind sofern es sich um objektiv nachvollziehbare Tatsachen handelt die aus schriftlichen Dokumenten und Aufzeichnungen (wie Bescheiden, Statistiken, Gesetz etc.) abgeleitet werden können.“

Das folgende Beispiel von Frau Ministerin Dr.in Raab soll diese Problematik verdeutlichen: 

Ministerin Dr.in Raab hat in den letzten Monaten mehrfach in der Öffentlichkeit (Interviews mit Medien) Aussagen über die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen getroffen, die nachweislich falsch waren. Dies wurde mir auf meine schriftliche Anfrage  nach dem Auskunftspflichtgesetz von Seiten des zuständigen Bundesministerium für Inneres bestätigt. Trotzdem war Ministerin Raab nicht bereit ihre falsche Aussage zu widerrufen oder eine entsprechende Klarstellung in der Öffentlichkeit zu treffen.

Wie würde dieser Sachverhalt nach dem vorgesehenen Informationsfreiheitsgesetz beurteilt werden?

Wahrscheinlich wird man entgegenhalten dass laut Kompetenzverteilung Frau Ministerin Dr.in Raab ja eigentlich gar nicht für die Auskunft über das Asylwesen zuständig ist.

Was passiert also wenn ein*e Minister*in  – ob sie*er nun zuständig ist oder nicht – pro-aktiv die Bevölkerung vorsätzlich über maßgebliche Umstände mündlich oder schriftlich falsch informiert? Möglicherweise wird ein derartiges Verhalten unter den Tatbestand des § 302 STGB – Missbrauch der Amtsgewalt zu subsumieren sein.

Es muss für eine*n Bürger*in möglich sein, bei nachgewiesener Unrichtigkeit der Informationen eine Klarstellung verlangen zu können.

Natürlich könnte man aber auch überlegen im Informationsfreiheitsgesetz einen strafrechtlichen Tatbestand, ähnlich wie §163 a-„unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände“ (oder vormals § 255 Aktiengesetz ) vorzusehen, denn es ist nicht einzusehen, dass ein Vorstand einer im Eigentum des Bundes stehenden Aktiengesellschaft strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er nachweislich „bedeutsam wesentliche Informationen in unvertretbarer Weise falsch oder unvollständig darstellt“, nicht jedoch ein*e Minister*in. (Natürlich sollte eine „Tätige Reue“ ähnlich §163 d STGB möglich sein)

Da aber in der Regel falsche Auskünfte nicht vorsätzlich veröffentlicht werden, wird eine strafrechtliche Haftung alleine nicht ausreichen.

Es muss für eine*n Bürger*in möglich sein, bei nachgewiesener Unrichtigkeit der Informationen eine Klarstellung verlangen zu können.

Eventuell wäre zu überlegen in § 11 –Rechtsschutz folgenden Absatz vorzusehen

  • 11 Abs2: „Besteht der begründete Verdacht dass die veröffentlichten Informationen oder der Öffentlichkeit zugänglich gewordenen Informationen nicht richtig sind so hat jedermann das Recht den Informationsgeber darauf hinzuweisen und eine öffentliche Klarstellung zu verlangen. Wird diesem Begehren nicht stattgegeben ist auf Antrag des Antragstellers (Informationswerbers) ein Bescheid auszustellen.“

Natürlich bleibt dann noch immer die Frage offen, was ein*e Bürger*in mit einem solchen Bescheid „anfangen“ kann. An wen kann sie*er sich wenden? Wer soll überprüfen, ob die Informationen richtig und vollständig waren und wer kann rechtlich einen Widerruf oder eine Klarstellung der unrichtigen Information durchsetzen? Idealfall wären sicherlich die Verwaltungsgerichte.

Meines Erachtens würden sich aber auch der Rechnungshof oder die Volksanwaltschaft anbieten. Eventuell wäre zu überlegen beim Rechnungshof einen „Bürgerrat“ zu installieren an den sich Bürger*innen wenden können.

Natürlich ist es mir bewusst dass meine Forderungen von Vielen als übertrieben angesehen werden – aber andererseits bietet die nunmehrige Diskussion über das Informationsfreiheitsgesetz die einmalige Möglichkeit die Rechte der Bürger*innen zu stärken. Es sollte nicht nur das Recht auf Informationen, sondern auch das Recht auf richtige und vollständige Informationen rechtlich verankert werden. Denn nur dann wenn es auch ein „Recht auf Wahrheit“ gibt wird das verloren gegangene Vertrauen in die Politik wieder hergestellt werden können.

Dr. Walter Neumayer

  • Geb. am 25.5.1952
  • Studium an der Juridischen Fakultät –
  • Promotion 1977
  • Von 1977-2014 in der Rechtsabteilung der Unilever Austria Gmbh tätig
  • 1985: Herausgabe des „Handbuches zur Praxis des Lebensmittelrechts“
  • Vortragender zu Themen wie Lebensmittelrecht-UWG-Umweltrecht-Gewerberecht-Verpackungsverordnung/ARA
  • Div. Veröffentlichungen zum Thema Lebensmittelrecht (Zeitschrift „Nutrition“)
  • Experte in der Codexunterkommission A1 Judikatur zum Lebensmittelrecht
  • Jahrelang Vorsitzender div. AG im FV der Nahrungsmittelindustrie und ARA (Abfallvermeidung)
  • 2010-2014 Vertreter der Ö. Speiseölindustrie bei der IMACE (Brüssel)
  • 2014 Verleihung des Titels Professor
  • Seit 1996 Vorsitzender des örtlichen Nationalparkbeirats der Gemeinde Orth
  • 2018 Vorsitzender des Bürgerrats „Gemeinwesenzentrum“ in Orth /D

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