Social Enterprise & lokale Initiativen

SONNENTOR: „Am Abend geht man mit gutem Gewissen nach Hause.“

Sonnentor ist ein erfolgreiches Unternehmen, das sich zur Gemeinwohlökonomie bekennt. Was das Besondere an dieser Art des Wirtschaftens ist und was andere Unternehmen lernen können, haben wir im Gespräch mit Marie-Theres Chaloupek geklärt.

Anfangen möchte ich mit einer kleinen Vorstellung von SONNENTOR.
Was macht für dich das Unternehmen SONNENTOR aus?

SONNENTOR ist seit über 30 Jahren bekannt für seine hochwertigen Kräuter und Gewürze. Wir begeistern die Menschen mit Naturprodukten aus biologischer Landwirtschaft. Ganz zentral ist für SONNENTOR auch der direkte Handel mit den Biobäuer*innen. Diese Grundpfeiler haben wir uns bis heute bewahrt. Wir handeln nur mit biologisch angebauten Kräutern und garantieren unseren Anbaupartner*innen durch den direkten Handel eine Lebensgrundlage.

Wenn Kund*innen ein SONNENTOR-Produkt kaufen, können sie sich darauf verlassen, dass die Zutaten biologisch angebaut wurden, dass diese zu fairen Bedingungen gehandelt und wann immer möglich direkt gehandelt wurden. Und jeder Schritt ist gemeinwohl-orientiert. Ziel des Produktes ist es, dass für alle, die an der Entstehung beteiligt waren, ein gutes Leben gesichert ist.  Vom Lieferanten über die Mitarbeiter*innen, die unsere Rohwaren aufbereiten und jene, die sorgfältig per Hand Verpackungen befüllen, bis zu der Person, die das fertige Produkt ins Regal schlichtet. So handeln wir ganz im Sinne der Gemeinwohlökonomie.

Ein weiterer wichtiger Grundstein der Philosophie von SONNENTOR ist, dass wir im Einklang mit der Natur wirtschaften, Ressourcen schonen und Kreisläufe nutzen.

Die Gemeinwohlökonomie besinnt sich darauf, dass der eigentliche Zweck des Wirtschaftens die Erfüllung unserer menschlichen Bedürfnisse ist. Statt der Gewinnmaximierung steht die stetige Erhöhung des Gemeinwohls im Mittelpunkt. SONNENTOR gibt es schon knapp 20 Jahre länger, als es die Gemeinwohlökonomie gibt. Was waren die Beweggründe, die Gemeinwohlökonomie zu unterstützen und sich für diese Art des Wirtschaftens zu entscheiden?

Eigentlich sind Kund*innen und Fans auf Johannes Gutmann, den Gründer von SONNENTOR, zugekommen und haben ihn darauf hingewiesen, dass es dieses Modell einer alternativen Marktwirtschaft gibt. SONNENTOR hat sich sofort in den Werten, die die Gemeinwohlökonomie vertritt, wiedergefunden. Aber das Messwerkzeug hatten wir noch nicht – und das haben wir als großen Gewinn empfunden, weil wir dadurch unsere Werte und unsere Arbeitsweise noch transparenter machen können.

Kreislauf-Abbildung auf den Produkten |

Die sogenannte Gemeinwohlbilanz ist ein Organisationsentwicklungsinstrument – sie macht den Beitrag von Unternehmen zum Gemeinwohl transparent und für Konsument*innen vergleichbar. Wie funktioniert das genau?

Die Daten für die Gemeinwohlbilanz werden im Betrieb gesammelt und von einem Redaktionsteam aufbereitet. Der Bericht wird nach der Fertigstellung von einer*m Auditor*in der Gemeinwohlökonomie genau geprüft. Auf Basis dieses Audits wird dann die Gemeinwohlbilanz erstellt.

Jedes konventionelle Unternehmen, das sich nur an die Gesetze hält, hätte bei dieser Bilanz 0 Punkte. Alles, was Unternehmen darüber hinaus für die Menschen, für die Umwelt oder die Gesellschaft leisten, zahlt in die Gemeinwohlbilanz ein.

Maximal können 1.000 Punkte erreicht werden, dann arbeiten Unternehmen quasi absolut im Sinne des Gemeinwohls. SONNENTOR erreicht aktuell 725 Punkte – wir sind also auf einem guten Weg. Ob wir die maximale Punktezahl irgendwann erreichen können, kann ich nicht sagen. Wichtig ist jedenfalls, dass wir auch stets gesund wirtschaften müssen, denn nur so können wir unsere Gemeinwohl-Orientierung tatsächlich leben.

Viele Unternehmer*innen glauben, es geht nur entweder - oder. Da wollen wir ein Umdenken schaffen - es geht beides!

Uns ist es ganz wichtig, ein Umdenken anzustoßen. Viele Unternehmer*innen glauben, es geht nur entweder – oder. Entweder ich bin sozial gerecht und schaffe gute Arbeitsplätze, die fair bezahlt sind und arbeite nachhaltig, oder ich bin wirtschaftlich erfolgreich. Da wollen wir ein Umdenken schaffen – es geht beides! Wir haben ein Durchschnittseinkommen von 2.200 Euro brutto, die Spanne vom niedrigsten zum höchsten Gehalt beträgt 3,7. Natürlich müssen Manager*innen bei uns auf Boni und Prämien verzichten – bei uns geht der Gewinn in den Standort. Dadurch kann sich das Unternehmen leisten, allen Mitarbeiter*innen mehr zu bieten. Unsere Mitarbeiter*innen bekommen zum Beispiel mittags ein gesundes Bio-Essen, im Rahmen der Gesundheitsförderung bieten wir regelmäßig Sport- und Kochkurse sowie Vorträge an. Zusätzlich gibt es einen eignen Betriebskindergarten, das SONNENSCHEINCHEN.

Was sind die Grundsätze für diese andere Art des Wirtschaftens?

Die zentralen Säulen sind Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie Mitbestimmung und Transparenz.

Neben der ökologischen Nachhaltigkeit und unserem Grundsatz, ein gutes Leben für alle schaffen zu wollen, ist die Einbeziehung der Kund*innen ein ganz wichtiger Aspekt der Gemeinwohlökonomie. Wir versuchen stets, nah an unseren Fans und Kund*innen zu sein. Über 50 Prozent unserer Produkte wurden auf Basis von Ideen unserer Kund*innen entwickelt. Die Ideen und Wünsche werden etwa im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitenden in unseren Geschäften oder bei Messen geäußert, doch auch telefonisch, per Mail und über die Sozialen Netzwerke bekommen wir ganz viel Inspiration von unseren Fans.

Besuch Anbaupartner Portugal 2019 |

Welche Vorteile hat Wirtschaften nach Gemeinwohlökonomie?

Dass man mit seiner Arbeit dazu beiträgt, dass auch unsere Enkelkinder wahrscheinlich noch auf einem gesunden Planeten in einer funktionierenden sozialen Gesellschaft leben können. Was wir jetzt schaffen, ist auch ein Grundstein für die nächsten Generationen – das muss uns allen immer bewusst sein. Und am Abend geht man mit gutem Gewissen nach Hause, jeden Tag.

Wenn es nur um Eigenbereicherung geht, wird für die nachkommenden Generationen nichts bleiben.

Das Problem ist ja, dass das nicht viele Unternehmen so sehen wie Ihr bei SONNENTOR. Seht Ihr  trotzdem Entwicklungspotential für andere Unternehmen? Was können andere Unternehmen, oder auch: was können wir alle von SONNENTOR lernen?

Ja, jedes Unternehmen kann gemeinwohlorientiert wirtschaften! Man muss nur mal ins Tun kommen. Da zählt jeder Schritt! Das heißt nicht, dass man von heute auf morgen in der Gemeinwohlbilanz 725 Punkte haben muss. Es reicht ja, mal einen Punkt zu haben, und dann den nächsten, und dann wieder den nächsten.

Wenn man nicht von heute auf morgen die Gemeinwohlökonomie uneingeschränkt unterstützen möchte, kann man sich trotzdem die Indikatoren, die bei der Gemeinwohlökonomie zentral sind, ansehen und die Umsetzbarkeit für das eigene Unternehmen prüfen. Zum Beispiel: Wie kann ich meinen Mitarbeiter*innen ein schöneres Umfeld schaffen? Wie kann ich mit meinen Lieferant*innen transparenter zusammenarbeiten? Wie kann ich wertschätzender mit meinen Kund*innen umgehen und sie mehr einbeziehen? Für mich ist die Gemeinwohlökonomie auch ein Leitfaden, auf was ein Unternehmen schauen kann. Vielen ist gar nicht mehr bewusst, auf wie viele Punkte man als Unternehmen Einfluss nehmen kann.
Ich glaube der wichtigste Schritt ist, die Unternehmer*innen dazu zu bringen, sich mit den eigenen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten auseinander zu setzen.

SONNENTOR in Sprögnitz |

Wie kann man das schaffen?

Johannes Gutmann, der Gründer von SONNENTORSONNENTOR, ist „Botschafter“ der Gemeinwohlökonomie. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die Unternehmer*innen, für die die GWÖ schon einen hohen Stellenwert hat, als Botschafter*innen in der Öffentlichkeit aktiv sind. Dass sie hinausgehen und sagen „Schaut, wir sind wirtschaftlich erfolgreich und wir wirtschaften nach der Gemeinwohlökonomie.“ Ich glaube, diese Vorbilder braucht es, um anderen einen Denkanstoß zu geben.

Optimal wäre natürlich, wenn es von der Politik konkrete Maßnahmen gäbe, diese Unternehmen zu fördern. Damit die Beteiligung nicht nur aus der eigenen, intrinsischen Motivation eines Unternehmens kommt, sondern sich in der Breite der Wirtschaftstreibenden durchsetzt, wäre ein Anreizsystem von Seiten der Politik notwendig und sehr wünschenswert.

Wenn ich noch ein bisschen provokativ nachfragen darf: Meinst du nicht, dass die drohende Klimakatastrophe genug Anreiz sein sollte, unser Wirtschaftssystem umzustellen?

Ich glaube schon, dass die Klimakrise in vielen Fällen ein Weckruf ist und die Menschen zum Nachdenken anregt. Leider gibt es aber ganz viele Menschen, denen es wichtig ist, wie es ihnen jetzt geht und wie viel Erfolg sie jetzt haben – und nicht, wie es in der Zukunft aussieht. Das ist ein ganz essentielles Ziel, den Leuten klar zu machen, dass es nicht nur ums Hier und Jetzt geht, sondern dass alle von uns eine Verantwortung dafür haben, wie es in der Zukunft aussieht! Ich glaube aber, für einen gesellschaftlichen Wandel braucht es mutige Maßnahmen von Seiten der Politik.

Das Unternehmen SONNENTOR

SONNENTOR ist ein österreichischer Betrieb, der seit über 30 Jahren für seine biologisch angebauten Kräuter und Gewürze steht. Seit 2011 unterstützt SONNENTOR die Gemeinwohlökonomie und legt alle 2 Jahre eine Gemeinwohlbilanz vor. Neben seiner Gemeinwohlorientierung produziert SONNENTOR durch bewussten Humusaufbau CO2-neutral. Zusätzlich kann seit dem Frühjahr 2019 bereits 1/3 des Stroms durch eigene Photovoltaikanlagen produziert werden. Mehr Informationen zu SONNENTOR und seinen Produkten: https://www.sonnentor.com

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