Armut & Sozialstaat

Was Kinderarmut bedeuten kann

„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard an“, heißt es in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Doch viele Kinder sind in Österreich weit weg von einem „angemessenen Lebensstandard“. 303.000 Kinder und Jugendliche sind hierzulande armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das kann Auswirkungen auf die soziale Teilhabe, aber auch auf psychische und physische Gesundheitsbelastungen haben.

Laut der offiziellen Definition der EU gelten Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet, wenn sie in einem Haushalt leben, der monatlich weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung (in Österreich sind das derzeit 1.160 Euro für einen Einpersonenhaushalt) zur Verfügung steht. Das klingt erstmal recht sperrig. Doch die Statistik Austria wirft einen breiteren Blick auf die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen.

Geld für Grundbedürfnisse fehlt

Eine der Fragen, die dabei beantwortet wird: Was kann sich der Haushalt, in dem die Kinder und Jugendlichen leben, leisten oder eben nicht leisten? Das Ergebnis: 23,3 Prozent aller 0-17-Jährigen leben in einem Haushalt, der keine unerwarteten Ausgaben tätigen kann. Ganz grundlegende Bedarfe wie die Wohnung warm zu halten oder sich einen notwendigen Arztbesuch leisten zu können, kommen mit 1,9 bzw. 1,7 Prozent deutlich seltener vor. Mögen diese Werte verschwindend gering klingen, sind österreichweit 29.000 bzw. 27.000 Kinder und Jugendliche betroffen.

Und auch soziale Grundbedürfnisse können sich viele Haushalte mit Kindern nicht leisten. So leben 258.000 Kinder und Jugendliche in Haushalten, die keinen Urlaub machen können und 94.000 können es sich nicht leisten, die engsten Freund*innen oder Verwandte einmal im Monat einzuladen.

Fehlende soziale Teilhabe, die sich in weiterer Folge auch in der Schule bemerkbar machen kann: Egal, ob es dabei um das Tragen bestimmter Kleidung, um die Teilnahme am Schulskikurs oder um Freizeitaktivitäten außerhalb der Schule geht: Ist all das nicht leistbar, werden Kinder und Jugendliche ausgeschlossen, Einladungen vielleicht nicht mehr ausgesprochen. Ein Ausweg für viele Kinder und Jugendliche: Sie versuchen ihre Armut zu kaschieren, das wiederum kann psychisch belastend sein. Denn das Verstecken der Armut bedeutet Stress.

Wohn- und Gesundheitsprobleme

Doch auch die körperliche Gesundheit kann von einem Leben in Armut negativ beeinflusst werden. Während in Österreich die Mieten steigen, wird es für immer mehr Menschen schwieriger, leistbare und gleichzeitig menschenwürdige Wohnungen zu finden. Das gilt insbesondere für Haushalte mit Kindern. 276.000 unter 17-Jährige leben in einer zu lauten Umgebung, 235.000 in überbelegten und 158.000 in feuchten und schimmligen Wohnungen. Und auch die Missstände in puncto Umweltgerechtigkeit werden hier sichtbar: 158.000 Kinder und Jugendliche sind von schlechter Luft und Umweltverschmutzung betroffen.

Zustände, die krankmachen können. Ein Leben zwischen feuchten Mauern und in einer umweltverschmutzten Luft wirkt sich insbesondere auf die Atemwege aus. Chronische Belastungen können zu Asthma oder Allergien führen. Hinzu kommt in Zeiten des Distance Learnings eine weitere psychische Belastung: Wenn der Bildungsminister dazu aufruft, Lern- und Spielräume zu trennen und für die Kinder einen separaten Arbeitsplatz für die Lockdown-Zeit zu schaffen, geht dies an der Realität vieler Haushalte vorbei. Lernen in zu kleinen Wohnungen erhöht den Stress, der durch die Ausnahmesituation der Corona-Krise für viele Menschen bereits Alltag ist.

Wege aus der Armut

Und die Wege aus der Armut? Diese haben genauso viele Facetten wie die Armut selbst.  Ein existenzsicherndes Einkommen für alle Menschen gehört ebenso dazu, wie Zugänge zu schaffen. Zugänge zu einer leistbaren Kinderbetreuung, zu einem gerechten und durchlässigen Bildungssystem, zum Arbeits- und Wohnungsmarkt. Politische Partizipation muss für alle möglich gemacht werden und zwar umfassend. Genauso wichtig ist eine Mindestsicherung, die tatsächlich zum Leben reicht und so zum wertvollen Instrument in der Armutsbekämpfung wird. Nicht zuletzt sind wir alle gefragt, denn das Stigma von Armut führt zu weiteren Belastungen. Wir alle können einen Teil dazu beitragen, um dieses Stigma abzubauen.

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