Flucht & Zuwanderung

Was bedeutet Integration für dich?

Dem Thema Integration kann man kaum mehr entgehen. Und nun haben wir auch seit Kurzem mit Susanne Raab eine Integrationsministerin, die mit ihren Aussagen zum Thema stark polarisiert. Sei es in den Medien oder im Café, über Integration – sei es auch nur indirekt – wird oft diskutiert. Meist wird dann entweder explizit oder implizit die Forderung einer besseren Integration gestellt. Eher selten kommen aber Menschen, an die sich diese Aufforderung richtet, zu Wort.

Mit dieser kleinen Sammlung an Antworten auf die Frage “Was bedeutet Integration für dich?” wollte ich zusammentragen, was diejenigen, die eben von dieser Debatte betroffen sind zum Thema zu sagen haben. Und es wird relativ schnell klar: Integration ist komplex, individuell und vielschichtig – vor allem ist sie aber keine Einbahnstraße.

Kaan, 26 Jahre und Projektmanager

Integration ist für mich nicht nur ein Prozess der Annäherung, sondern eine kommunikative Auseinandersetzung zwischen Zugewanderten und der anwesenden Mehrheitsbevölkerung um Gemeinsamkeiten und Unterschiede untereinander zu finden und gemeinsam die Verantwortung über den gegenwärtigen Rahmen unseres Lebensraums zu übernehmen. In diesem Sinne verstehe ich Integration nicht nur als eine einseitige Anforderung an die Zugewanderten, sondern den Aufbau einer interkulturellen, solidarischen und chancengleichen Gemeinschaft, welche auf Basis der Grundrechte funktioniert.

 

Anita, 25 und Studentin

Auf die Frage hin „was bedeutet Integration für dich?“ sind mir einige Punkte eingefallen. Integration ist ziemlich vieles. Es ist positiv und negativ, und manchmal denkt man sich, dass es hoffnungslos und gar nicht komplett möglich sei. Integration ist so vielschichtig und so individuell. Für mich ist Integration jedoch so, als würde man eine neue Sprache lernen. Wenn man eine Sprache lernt, dann erweitert man seinen Horizont und hat Zugang zu einer neuen Kultur. Und man lernt wie Menschen miteinander interagieren, was die Regeln und was Tabus sind. Bei Integration ist es ähnlich. Man muss also die Sprache und die Kultur neu lernen. Es wird zwar nicht offen gesagt, aber es wird erwartet, dass man seine „alte Kultur“ abgelegt und komplett die „neue“ annimmt. Aber genau das ist problematisch. Die eigene Kultur ist Teil der Identität und wird nicht abgelegt, so wie beim Erlernen einer neuen Sprache wird die alte nicht vergessen. Bei der neuen Sprache kommt dann eben ein Akzent hinzu und der bleibt. Und auch hier sollte es in erster Linie darum gehen, dass man sich in der neuen Sprache unterhalten kann, wenn auch nicht auf Muttersprachler-Niveau. Es wird aber von manchen als problematisch angesehen, wenn viele Kulturen in einem Land koexistieren, dann kommt es zu einem „Othering“ und darüber wird im Diskurs zu wenig geredet! Es heißt „sie sollen sich kultivieren und ein Teil von diesem Land werden“, aber gleichzeitig wird dieses „Othering“ praktiziert, das wiederum der Integration hinderlich ist. Die betroffene Person wird somit nie komplett in die neue Gesellschaft aufgenommen werden. Und das spüren sogar Kinder, denn selbst in der Volksschule wird segregiert, abgegrenzt und anders behandelt. Diese Erfahrung teile ich mit vielen anderen Menschen mit Migrationshintergrund. Daher: Integration ist keine Einbahnstraße und muss von allen Seiten kommen. Wir müssen alle an der Konversation teilnehmen wollen, sonst wird das nichts. Es ist ein gemeinsamer Prozess und es braucht helfende Hände.

 

Lukas, 29 Jahre und Prozessingenieur

Integration bedeutet für mich, in jeder Situation im Alltag die Akzeptanz der Gesellschaft zu erfahren. Unser Zusammenleben soll von Respekt gegenüber der Kultur und den Traditionen Österreichs geprägt sein. Dazu gehört es, die Landessprache zu erlernen und sich mit den Traditionen, Werten sowie der Geschichte und Entstehung des Landes vertraut zu machen. Für mich geht es insbesondere um die Bedeutung der demokratischen Grundordnung Österreichs, des Sozialstaates, der Gleichberechtigung sowie der Religions- und Meinungsfreiheit. Diese Werte sollten alle Zugewanderten nicht nur akzeptieren, sondern auch leben. Alle Menschen, welche hier ihre Heimat gefunden haben, sollten die Werte und die Gesetze Österreichs anerkennen.

Integration erfordert ebenfalls das Engagement aller staatlichen sowie zivilen Akteur*innen und muss in allen Lebensbereichen wirken. Dadurch sollte es zu einer gelungenen Integration kommen, welche bedeutet, dass man sich in der Gesellschaft zugehörig fühlt.

 

Anonym, Pensionistin

Integration bedeutet für mich, sich anzupassen und in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten. Als ich damals nach Österreich kam, war es für mich eine positive Erfahrung. Wir wurden von unseren Nachbarn nach Hause eingeladen und auch wir luden sie ein.

 

Frau G., 75 Jahre und Pensionistin

 

Integration ist für mich etwas sehr Gutes. Ich bin in meiner Jugend hierher gekommen, jetzt sind es fast 47 Jahre. Wir kannten nicht viel, wussten nicht viel und haben vieles erst gelernt, als wir nach Österreich kamen. Zum Beispiel habe ich Deutsch gelernt, eine Ausbildung sogar machen können. Auch wenn mein Deutsch nicht perfekt ist, ich kann mich unterhalten. Aber einfach war es natürlich nicht. Ich war in der Türkei ja nicht mal in der Schule. Seitdem ich hier bin, habe ich viel gelernt und ich fühle mich in Wien sehr wohl. Also ich bin zufrieden.

Berdan, 17 Jahre und Schüler

Das ist eine sehr schwierige Frage. An sich bedeutet Integration, sich an die kulturellen Gegebenheiten eines Landes anzupassen, aber inwieweit man sich anpassen muss, weiß ich nicht. Ich fühle mich sowohl hier als auch dort fremd. Wenn man mich fragt, wohin ich hingehöre, dann sage ich “Wien”, weil es einfacher ist, sich der Stadt zugehörig zu fühlen als einem Land. Hier bin ich nämlich aufgewachsen.

 

M. Ali Bas, 29 Jahre und Autor, Kunst- und Kulturvermittler.

Vor 12 Jahren bei einer Integrationsveranstaltung sagt eine Dame: „Integration ist erst erreicht, wenn wir nicht mehr davon sprechen“, und 12 Jahre später bekomme ich die Frage immer noch gestellt. Für mich bedeutet dieser Begriff mittlerweile absolut gar nichts. Und mehr gibt’s aus meiner Sicht auch nicht zu sagen, außer Käsespätzle. An dieser Stelle ein Shoutout an alle, die sich einfach an den Tisch setzen. Mampf Mampf!

Natürlich sind wir noch lange nicht am Ende der Debatte, was Integration ist, angelangt. Daher laden wir Sie, liebe Leser*innen, herzlich dazu ein, uns eure Meinungen zum Thema zu sagen. Wir freuen uns über Antworten auf Facebook oder per Email auf redaktion@derdiedasrespekt.at.

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